Die EU-Kommission will die Banken an den Kosten der Wirtschaftskrise beteiligen. Kommissionspräsident Barroso ist verärgert über Berlin und Paris.

Straßburg -Spekulanten an den europäischen Finanzmärkten sollen künftig in der gesamten EU eine neue Steuer zahlen. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch vor, von Anfang 2014 an eine Finanztransaktionsteuer zu erheben. Sie soll nach Berechnungen der Behörde 57 Milliarden Euro pro Jahr einbringen. Zuvor hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso noch von 55 Milliarden Euro gesprochen.

 

Dass die Mitgliedstaaten die Steuer tatsächlich beschließen, ist höchst fraglich. Ein Sprecher des britischen Finanzministeriums sagte dem Sender BBC, London werde die Steuer notfalls per Veto verhindern. Die Steuer sei nur denkbar, wenn sie weltweit eingeführt werde. Auch Schweden und die Niederlande haben Bedenken. Für einen Beschluss ist Einstimmigkeit aller 27 EU-Staaten nötig.

„Es ist jetzt an der Zeit, dass der Finanzsektor der Gesellschaft einen Beitrag zurückzahlt“, sagte Barroso vor dem Europaparlament. Die EU habe seit Beginn der schweren Wirtschaftskrise 4,6 Billionen Euro Hilfen und Garantien für den Finanzsektor zur Verfügung gestellt. „Wenn unsere Bauern, unsere Arbeiter und alle Bereiche der Wirtschaft ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten, dann sollte der Finanzsektor auch einen solchen Beitrag leisten.“

Barroso wehrte sich zugleich gegen Einmischung in seine Kompetenzen und ging auf Kollisionskurs zu den europäischen Regierungen. Vor dem Europaparlament sagte er, die Europäische Union brauche nicht mehr Zusammenarbeit zwischen den Hauptstädten, sondern vor allem europäische Lösungen.

Es sei eine Illusion zu glauben, man könne eine gemeinsame Währung und einen gemeinsamen Binnenmarkt mit „einem intergouvernementalen Herangehen“ bekommen. Darunter werden in Brüssel Absprachen zwischen den Regierungen verstanden. „Damit der Euro glaubwürdig bleibt, brauchen wir die wirkliche Gemeinschaftsmethode.“ Dies bedeutet im EU-Sprachgebrauch, dass Initiativen von der Kommission und nicht von den Regierungen gemacht werden. Zudem muss das Europäische Parlament umfassend beteiligt werden.

Indirekter Angriff auf Merkel und Sarkozy

Ohne die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach einer europäischen Wirtschaftsregierung ausdrücklich zu erwähnen, sagte er: „Innerhalb der EU-Kompetenzen ist die Kommission die Wirtschaftsregierung. Wir brauchen nicht noch mehr Institutionen dafür.“

Merkel und Sarkozy hatten vorgeschlagen, dass EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Euro-Gipfel leiten sollte. Barroso sagte, der Euro brauche eine „einzelne Vertretung nach außen“: „Gemäß dem EU-Vertrag wird die Kommission dafür Vorschläge machen.“ Die Kommission werde auch einen Rahmen für engere Zusammenarbeit zwischen den 17 Euro-Staaten und der gesamten EU machen: „Wir wollen nicht, dass die Eurozone unsere große Errungenschaft des Binnenmarktes aufbricht.“

Mehr denn je werde die „unabhängige Autorität“ der Kommission bei der Kontrolle der Haushaltspläne der Mitgliedstaaten gebraucht. „Seien wir doch ehrlich: Das können die Regierungen nicht selbst machen. Und das kann auch nicht durch Verhandlungen zwischen den Regierungen gemacht werden“, rief er unter lautem Beifall der Europa-Abgeordneten. „Die Kommission ist der Garant der Fairness.“

Der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz zeigte sich begeistert von der Rede des konservativen Barroso. „Wir haben es mit einem Rückfall in eine Hauptstadtdiplomatie zu tun, die Europa an den Rand des Zusammenbruchs führt“, sagte Schulz. „Diese Patchwork-Demokratie, bei der am Ende der politische Opportunismus der Hauptstädte entscheidet, kann nicht die Zukunft Europas sein.“

Der liberale Fraktionschef und frühere belgische Premierminister Guy Verhofstadt forderte Barroso auf, nun die Regierungschefs von der Notwendigkeit von mehr Europa zu überzeugen: „Die intergouvernementale Methode und die Einstimmigkeit bringen Europa um.“

EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek begrüßte, dass Barroso „eine wirkliche Wirtschaftsunion mit der Kommission in ihrem Zentrum“ vorgeschlagen habe. „Die Gemeinschaftsmethode ist der beste Weg voran.“