Mit 41 Jahren hat Firat Arslan noch nicht genug vom Boxen. Am Freitag tritt er in einem EM-Kampf gegen Alexander Alexejew an.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Göppingen - Auf ein prickelndes Hefeweizen oder ein gut temperiertes Radler, mit dem er sonst so gerne einen harten Trainingstag beschließt, wird Firat Arslan am Donnerstagabend verzichten. Ausreichend Flüssiges wird der 41 Jahre alte Cruisergewichtler so kurz vor dem Kampf am Freitag (22 Uhr/Eurosport) gegen Alexander Alexejew in Göppingen dennoch zu sich nehmen. Denn Firat Arslan hat seine Lektion gelernt.

 

Vor knapp zwei Jahren war es, in der schwülen, mit 28 Grad völlig überhitzten Stuttgarter Sommernacht des 3. Juli 2010, als der dehydrierte Firat Arlsan für einen Boxkampf beinahe mit seinem Leben bezahlt hätte. Vor dem Duell mit Steve Herelius, als im grell-heißen Scheinwerferlicht der Stuttgarter Porsche-Arena dicht über dem Ringboden 46 Grad Lufttemperatur gemessen wurden, hatte Arslan viel zu wenig getrunken. So lag er mit einem Mangel an neun Litern Flüssigkeit gegen Mitternacht ausgetrocknet und bewusstlos im Krankenwagen, als die Sanitäter einen kurzen Herzstillstand diagnostizierten.

Elf Runden hatte Arslan zuvor im Ring gegen den Franzosen Herelius durchgehalten; gegen Ende boxte er kraftlos und schachmatt lediglich im Unterbewusstsein, ehe der Körper den Willen besiegte, ihn der Ringrichter Stanley Christodolou auf dem Weg in seine Ecke stützte, wo Firat Arslan letztlich zusammenbrach und das Bewusstsein verlor. „Ich gebe niemandem an dem Vorfall die Schuld, außer mir selber“, sagt Firat Arslan, „natürlich war es in der Halle sehr, sehr warm, aber ich hätte viel mehr trinken müssen.“

Von seinen 25 Profikämpfen hat Alexejew nur zwei verloren

Dass damals keiner aus Arslans Ecke, nicht der Freund und Ex-Schwergewichtseuropameister Luan Krasniqi, nicht der Fitnesscoach Ted Lackner und auch nicht der Boxtrainer Michael Timm rechtzeitig das Handtuch warfen, sondern man Arslan bis zum Umfallen kämpfen ließ, sagt viel über die Beziehung des Boxers zu seinem Beruf aus. Sie kennen ihn eben alle gut, ihren Firat, der nie ein begnadetes Talent war, nicht wie Krasniqi um Olympiamedaillen kämpfte und nicht von Premium-Boxställen umworben wurde. Der gebürtige Türke, der mit 24 Jahren Deutscher wurde, hatte bis 2005 nicht mal einen Trainer.

„Bevor ich aufgebe, möchte ich lieber im Ring sterben“, sagt der 41-Jährige. Er meint das todernst und weiß, dass man diese Einstellung entweder heldenhaft oder saudumm finden kann. Die leichte Tour, findet Arslan aber, sei für einen mit seiner Biografie nun mal nicht drin. Er motiviert in Diskussionsrunden sozial benachteiligte Jugendliche, ihre Ziele konsequent zu verfolgen. „Da muss ich Vorbild sein“, sagt Firat Arslan, der im Dienste der Jugend ehrenamtlich bereits bei der Müllabfuhr arbeitete und in der Wilhelma die Käfige säuberte.

Sein Gegner Alexander Alexejew wird im Ring der Göppinger EWS-Arena also nichts geschenkt bekommen. Formal ist der 31-jährige Russe, der in Hamburg lebt, als Titelträger der Favorit in dem EM-Fight im Cruisergewicht (bis 91 Kilogramm) – und das nicht nur, weil er zehn Jahre jünger ist als Arslan. Von seinen 25 Profikämpfen hat Alexejew, der einst unter dem Startrainer Fritz Sdunek die große Hoffnung des Universum-Stalls war, nur zwei verloren. Einen davon gegen seinen Landsmann Denis Lebedew, den Olympiasieger von 2008; seither spielt Alexejew bei Universum nur noch die zweite Geige.

Firat Arslan: „Ich bin ein gläubiger Mensch“

„Er ist sportlich und menschlich ein klasse Typ. Er besitzt eine tolle Technik, war Amateurweltmeister – das spricht für ihn“, sagt Firat Arslan (32 Siege, fünf Niederlagen, ein Unentschieden, 21 Knockouts) vor dem Duell der beiden Rechtsausleger, die sich durch ihre gemeinsame Zeit im Universum-Gym in Hamburg kennen, aber nie gegeneinander gesparrt haben. Doch in Göppingen hat Arslan, der sich in Donzdorf oberhalb des Filstales in einem ehemaligen Fitnessstudio ein schmuckes Zuhause eingerichtet hat, Heimrecht. Also hofft er in der EWS-Arena auf die breite Unterstützung des Publikums.

„Ich bin ein gläubiger Mensch – und bete vor dem Kampf auch für meinen Gegner“, sagt Firat Arslan: „Aber im Ring will ich ihn natürlich so hart wie möglich treffen.“ Ans Aufhören denkt der einstige WBA-Champion nicht, eher an einen Rekord, den aktuell Bernard Hopkins hält: Der wurde mit 46 Jahren und 126 Tagen zum ältesten Boxweltmeister aller Zeiten.