Das Jugendmazain hat „100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung“ veröffentlicht. Nicht nur deshalb steht es derzeit öffentlich am Pranger. Kritiker stürzen sich auf besonders kuriose oder sexistische Bilder aus den Foto-Lovestories der „Bravo“.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Stuttgart - Als tollpatschige Lipgloss-Trägerin mit „frischen Girlwangen“ (Rouge), offenen Haaren und rausblitzenden Schultern, die ihre männlichen Artgenossen stets leicht von unten anschaut, müsste man als Mädchen eigentlich jeden Jungen herumkriegen. Sagte zumindest letztens die „Bravo“. Und kassierte ordentlich Schmähe dafür. Kurz darauf folgte schon der nächste Spott – für die teils sexistischen und skurrilen Bilder der berühmten Fotoromane des Jugendmagazins.

 

Die aktuelle Hohnwelle über die „Bravo“ brach Anfang Juli los: Das Magazin veröffentlichte auf ihrer Website bravo.de „100 Tipps für eine Hammer-Ausstrahlung“ und sorgte damit für reichlich Empörung. Weil sich die „Hammer-Ausstrahlung“ vor allem auf Rollenklischees aus dem vergangenen Jahrtausend zu beziehen schien, stürzten sich Onlinemedien und Nutzer sozialer Netzwerke regelrecht auf die Flirtratschläge. Tipps wie „Viele Jungs stehen auf frische Girlwangen. Benutze immer Rouge – das wirkt gesund und sexy auf Typen!”, oder „Stehst Du auf dem Schulhof oder an der Bushaltestelle, dann überkreuz mal Deine Beine. Diese Pose lieben Star-Girls, weil sie schlank macht und sexy wirkt!“ lösten einen Sturm der Entrüstung aus.

#flirtennachbravo wurde zum meistgenutzten Hashtag

Viele Onlinemedien nahmen die Jugendzeitschrift aufs Korn. Das Magazin „Vice“ erstellte etwa eine Liste der „10 gruseligsten Tipps der ‚Bravo’“. „Focus“ zog die Ratschläge mit überzogenen Anmerkungen ins Lächerliche, andere Medien verfassten vergleichbare Listen für das andere Geschlecht – mit sarkastischen Tipps, wie etwa, dass Jungs ihre Socken täglich wechseln sollten, um bei Mädchen punkten zu können. Nutzer sozialer Netzwerke setzten den Spott auf Facebook, Twitter und Instagram fort. Der Hashtag #flirtennachbravo war am Tag nach der Veröffentlichung der Flirttipps der meistgenutzte Hashtag in Deutschland. Das Echo war einstimmig: Die Bravo ermutige Mädchen dazu, sich für ihren Angebeteten zu verbiegen und so ihre eigene Individualität zu unterdrücken.

Im„Tagesspiegel“ äußerte sich die Medienjournalistin Sonja Álvarez zu den Tipps: Die „Bravo“ spiegele ein „Frauenbild aus den fünfziger Jahren” wider: „Dass die ‚Bravo’ Teenie-Mädchen Tipps für mehr Selbstbewusstsein geben will, ist ja an sich eine gute Idee. Nur geht es in der Liste leider eben nicht darum, wie sie sich mit ihrem Körper am wohlsten fühlen, sich am besten auf Beruf und Studium vorbereiten oder Netzwerke bilden, sondern das einzige und wichtigste Ziel im Leben einer Frau scheint demnach zu sein: Männern zu gefallen und sich ihnen unterzuordnen.” Wie rückständig das Frauenbild sei, würde auch die Bebilderung vermitteln: „Die weiblichen Models schauen zu den Jungs auf, verzückt und mit lieblichem Blick”, so Álvarez.

Nach den Tipps waren die Fotoromane nächster Aufreger

Wenige Tage später reagierte die „Bravo“: Die Tipps verschwanden von der Seite, kurze Zeit später folgte eine offizielle Stellungnahme. Die 100 Tipps hätten ein „rückständiges Frauenbild“ vermittelt, heißt es auf bravo.de. „Tatsächlich sind einige der Tipps absolut unglücklich, und insgesamt genügt der Beitrag nicht dem Qualitätsanspruch, den wir an uns selber stellen. Hierfür möchten wir uns ausdrücklich entschuldigen“, heißt es.

Doch kaum wurde der Spott etwas leiser, folgte der nächste Aufreger: Kritiker stürzten sich auf die Fotoromane der „Bravo“ und veröffentlichten besonders kuriose oder sexistische Bilder aus den Fotogeschichten, die sich meist um die erste große Liebe drehen. Da sieht man etwa ein junges Pärchen, das in ein Auto steigt und der Junge sagt zu dem Mädchen: „Los, rein mit dir Baby-Girl!“, während er ihr einen Klaps auf den Hintern gibt. Das Mädchen lächelt – offenbar verzückt – und reagiert: „Hihi, ich mag es, wenn du mir auf den Po haust. . .“

Auch andere Magazine präsentieren sich als sexistisch

Die ehemalige Leiterin des Dr.-Sommer-Teams der „Bravo“ Jutta Stiehler sagte nun in einem Interview mit dem Magazin „Stern“: „Was seit einiger Zeit in ‚Bravo’ geschieht, ist überwiegend sexistisch und frauenfeindlich. Das sieht man auch an den Foto-Lovestorys: Die Darstellung der Menschen ist einfach nur dämlich.“ Die „Bravo“ habe zwar immer nur unterhalten wollen, doch die aktuelle Entwicklung könne sie nicht gut heißen: „Wenn die Auflage sinkt, müssen wieder mehr Nackte sein“, kritisierte Stiehler.

Erst im vergangenen Jahr hatte der Bauer-Verlag, zu dem die „Bravo“ seit 1968 gehört, angekündigt, Änderungen vorzunehmen um dem stetigen Auflagenschwund zu begegnen. Man wollte verstärkt auf das Internet setzen – wie wohl auch mit den Flirttipps, die ausschließlich online erschienen.

Bei dem aktuellen Sturm der Entrüstung darf eines nicht vergessen werden: Die Bravo wurde nicht plötzlich vom feministischen Magazin zur frauenfeindlichen Zeitschrift. Vielmehr ist es auch in vielen Magazinen für erwachsene Frauen üblich, als Lösung für Probleme immer wieder Abnehm-Tipps oder Ratschläge für ein gelungeneres Äußeres zu verteilen. Vielleicht sollten auch große, erfolgreiche Magazine mit etwas mehr Achtsamkeit ihre Inhalte überdenken und sich klarmachen, welche Werte sie Frauen da eigentlich vermitteln.