Das Land Baden-Württemberg muss Vorreiter bei der Bewältigung des Zustroms an Flüchtlingen werden, kommentiert der StZ-Redakteur Thomas Braun.

Stuttgart - Erst riskieren viele von ihnen ihr Leben, um auf abenteuerlichste Weise nach Europa zu gelangen, und mit etwas Glück und oft auch mit Hilfe skrupelloser Schleuser schaffen sie es schließlich nach Deutschland. Und dann? Dann holt sie die Realität ein. Tatsache ist: die Behörden im ganzen Land, auch in Baden-Württemberg, sind auf den tausendfachen Ansturm von Asylsuchenden nicht ausreichend vorbereitet. Es gibt zu wenig Erstaufnahmestellen, für eine flexible Registrierung der Flüchtlinge, die Voraussetzung für die Anerkennung oder Ablehnung des Asylantrags ist, existiert keine gesetzliche Grundlage, und es fehlt an Personal.

 

Und so müssen die Menschen, die vor Armut und Krieg in ihren Herkunftsländern geflohen sind, sich einmal mehr auf den Weg machen – von Notunterkunft zu Notunterkunft quer durchs Land. Was sich in diesen Tagen nicht nur in Stuttgart abspielt, gleicht einem Verschiebebahnhof – auch auf politischer Ebene. Die Kommunen fühlen sich mit den Symptomen der Flüchtlingswelle alleingelassen, das Land zeigt mit dem Finger auf den Bund, und die Bundesregierung muss sich erst mit ihren europäischen Partnern abstimmen, bevor sie handelt.

Die Behörden selbst tun unzweifelhaft ihr Möglichstes, um den Flüchtlingen zu helfen – ganz zu schweigen von den vielen ehrenamtlichen Helfern und Flüchtlingsfreundeskreisen. Die Politik jedoch hat die Dimension der Herausforderung sträflich unterschätzt. Mit Improvisation wird sich das Problem aber auf Dauer nicht lösen lassen. Dringend notwendig sind beschleunigte Registrierungs- und Asylverfahren, die den Status der Flüchtlinge klären. Baden-Württemberg könnte sich dabei ruhig wieder einmal als „Musterländle“ beweisen.