Der Winter naht, und die Stadt benötigt dringend Plätze für Flüchtlinge. Nun werden an der Beethovenstraße für etwa fünf Monate rund 130 Flüchtlinge einziehen.
Stuttgart-Botnang - Die Stadtverwaltung ist händeringend auf der Suche nach Interimsquartieren für Flüchtlinge. Erster Bürgermeister Michael Föll sagte vor rund zwei Wochen, dass bis zum Ende des Jahres noch 800 bis 1000 Plätze gefunden werden müssen. 165 Flüchtlinge werden nun in den nächsten Tagen in Botnang vorübergehend ein neues Zuhause finden.
Ab dem 23. November sollen sukzessive 26 Wohnungen in den Gebäuden der Beethovenstraße 60 bis 70 von rund 130 Flüchtlingen bezogen werden, bestätigt Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften und Wohnen auf Nachfrage der Nord-Rundschau. Die drei Gebäude gehören dem Bau- und Wohnungsverein Stuttgart. Sie sind in die Jahre gekommen und sollen abgerissen werden. „An den Plänen hat sich nichts geändert“, betont Vorstandsmitglied Jürgen Oelschläger. „Wir wollen im Frühjahr abreißen.“ Das sei auch so mit der Stadt besprochen. Wegen des anstehenden Winters müsse man aber eh damit warten. Solange könne die Stadt die Gebäude als Notquartier nutzen. „Wir sind froh, wenn wir der Stadt diesbezüglich helfen können“, sagt Jürgen Oelschläger.
Derzeit seien noch vier Wohnungen an der Beethovenstraße 60 bis 70 von aktuellen Mietern belegt. „Die Mietverhältnisse sind aber zum 30. November gekündigt. Das hat allerdings nichts mit den Flüchtlingen zu tun“, betont Oelschläger. Der Bau- und Wohnungsverein hatte im Februar 2013 seine Neubaupläne im Rahmen einer Bezirksbeiratssitzung vorgestellt. „Die Gebäude aus dem Jahr 1927 haben vielleicht noch eine Restdauer von zehn bis 15 Jahren“, sagte der Vorstandsvorsitzende Thomas Wolf damals. Es müsse sich deshalb unbedingt etwas tun. An Fassaden, Dach und Decke sei keine Wärmedämmung vorhanden. Knarrende Holzböden wären beim Thema Schallschutz problematisch. Auch an den Holzfenstern habe der Zahn der Zeit genagt. Die Gebäude seien nicht barrierefrei zugänglich. Es gebe keine Balkone. Und auch die Grundrisse der Wohnungen seien nicht mehr zeitgemäß: Alle Zimmer seien zur Straße hin orientiert und mit maximal 18 Quadratmetern viel zu klein. Ein Neubau sei an dieser Stelle sinnvoll.
Auch an der Zumsteegstraße werden Flüchtlinge erwartet
Das sieht Wolfgang Reitzig anders. Seine Mutter wohnt noch an der Beethovenstraße. Die neuen Wohnungen, die ihm vom Bau- und Wohnungsverein angeboten wurden, nennt er „einen Witz mit Anlauf“. Eine Wohnung habe sich in Feuerbach gefunden. Seine Mutter sei aber alleine schon wegen der Ärzte an Botnang gebunden. Drei andere Angebote bezeichnet Reitzig als Wohn-Klos. „Einige der noch verbliebenen Mieter weigern sich auszuziehen und wollen den Abriss verhindern“, sagt Reitzig. Oelschläger geht dagegen davon aus, dass alle vier verbliebenen Mietparteien noch ausziehen werden. Das sieht Wolfgang Reitzig anders: „Ich weiß, was ich tue.“ Wie lange seine Mutter und er nun gemeinsam mit den Flüchtlingen an der Beethovenstraße leben werden, wird sich zeigen.
Mittlerweile hat auch Botnangs Bezirksvorsteher Wolfgang Stierle Bescheid bekommen, dass in den nächsten Tagen neue Bewohner in den Gebäuden des Bau- und Wohnungsvereins einziehen werden. „Ich halte mit keinen Informationen hinter dem Berg, aber ich bekomme solche Dinge leider auch nur sporadisch mitgeteilt“, sagt der Schultes. Während er gedanklich bei der Beethovenstraße sei, werde er allerdings schon an diesem Mittwoch real mit weiteren Flüchtlingen an der Zumsteegstraße konfrontiert. Wie die Sozialarbeiterin von der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt, Susanne Weimer-Aue, bestätigt, erwartet sie an diesem Mittwoch weitere sieben Familien und somit insgesamt weitere 35 Personen – darunter 22 Kinder und Jugendliche. Somit seien zwölf der 13 Wohnungen an der Zumsteegstraße 1 bis 3 belegt. Die Stadt hatte ursprünglich vor, dass nur in fünf Wohnungen Flüchtlinge einziehen werden. Insgesamt werden ab Mittwoch dann doch 56 Menschen in den beiden Gebäuden der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft leben. Susanne Weimer-Aue hat von den Neuankömmlingen vor etwa anderthalb Wochen erfahren, Stierle erst am Montag und das durch Zufall. Darüber ist der Bezirksvorsteher alles andere als erfreut: „So kann man mich nicht im Regen stehen lassen.“ Und auch der Freundeskreis brauche die Informationen und etwas Vorlauf, um die Flüchtlinge begrüßen und sich um sie kümmern zu können, betont er.