Auf Druck des Regierenden Bürgermeisters von Berlin muss der Franz Allert, Chef des Lageso, gehen. Wie man der Flüchtlingskrise in der Hauptstadt Herr werden will, sagt freilich keiner.

Berlin - Eigentlich“, so ging am Donnerstag ein Witz in Berlin, „wollte der Lageso-Chef schon vor fünf Tagen zurücktreten. Aber er musste erst eine Nummer ziehen.“ Der Berliner Humor kann sehr rau sein, und wenn man sieht, wie Menschen nachts in der Kälte vor jenem Lageso auf der Straße lagern, kann einem das Lachen im Halse stecken bleiben.

 
Franz Allert Foto: AFP

Trotzdem wäre Franz Allert, der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, noch immer im Amt, hätte nicht Berlins Regierungschef Michael Müller am Mittwoch Abend ein Machtwort gesprochen. Seit Monaten gelingt es der Behörde nicht, die Registrierung und Versorgung von Flüchtlingen zu organisieren, es herrschen katastrophale Zustände, Menschen sind obdachlos, mittellos und krank, und Ehrenamtliche und die Caritas leisten das, was wir woanders als humanitäre Hilfe bezeichnen. Für Regierungschef Müller war nun am Mittwochabend ein kritischer Punkt erreicht – vielleicht, weil es für ihn angesichts der anschwellenden Kritik über die Misere zusehends schwieriger wurde, die Verantwortung von sich fern und beim CDU-Sozialsenator Mario Czaja zu halten.

Eine Machtdemonstration des Bürgermeisters

Vielleicht hatte ihn aber auch die jüngste Nachricht aus dem Amt davon überzeugt, dass Einsicht kaum zu erwarten sei: Das Lageso mache Weihnachtsferien, erklärte Franz Allert wenige Stunden vor dem Rücktritt. Keine Registrierungen bis Neujahr. Nun ist es nicht außergewöhnlich, einen Behördenleiter bei Unfähigkeit abzulösen. Aber die Art der Ablösung sagt viel über den Zustand der Sprachlosigkeit in der Koalition von SPD und CDU. Müller sprach weder mit Czaja noch mit Allert noch mit seinem Vize, dem CDU-Chef Frank Henkel. Er sprach in eine Kamera des RBB. „Wir brauchen hier eine neue Spitze im Lageso, die ihre Verantwortung wirklich wahrnimmt“, sagte er. Czajas Verwaltung müsse das organisieren. „Wir sind in einer Situation, in der wir nicht mehr länger warten können.“

Lageso wollte Weihnachtferien machen

Czaja reagierte prompt, erklärte, er teile Müllers Auffassung und Allert habe gebeten, ihn von seinen Aufgaben freizustellen. Warum er dies nicht vorher veranlasst hat, teilte er nicht mit. Müller versprach am Donnerstag in der Generaldebatte des Parlaments, dass sofort die Wartezelte für die Flüchtlinge geöffnet und das Zugangssystem verbessert würden. Eine schnelle Lösung für das Chaos in der Behörde wird es nicht geben – zunächst war nicht einmal klar, wer Chef wird. Auch über die Folgen der Müllerschen Machtdemonstration für die Koalition gibt es unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten.

Einerseits hat Müller seine Handlungsfähigkeit demonstriert – mit hohem Risiko. Wäre Czaja ihm nicht gefolgt, hätte Müller ihn entlassen müssen, die Koalition wäre zerbrochen. Nun hat Müller gewonnen. Aber nur fürs Erste. Er hat das Vertrauen auch weiter unterhöhlt. In der CDU ist man zornig über den erzwungenen Rücktritt. Fraktionsvize Stefan Evers sprach gar von einer „öffentlichen Hinrichtung“. Der SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen sagte, die Lage sei „nicht nur von Umarmungen gekennzeichnet“. Aber falls die Lage am Lageso sich nicht entscheidend bessere, sei es unwahrscheinlich, dass es dem Regierenden Bürgermeister auf Dauer gelingen kann, die politische Verantwortung für das Versagen des Landes von sich weg zu halten. Dann wird er einen Partner ohne Gnade an seiner Seite finden.