Regelmäßig beschwören deutsche Politiker die Rolle und Fähigkeiten der EU-Grenzschutzagentur. Doch eine Pressekonferenz des Leiters macht nun deutlich: Frontex ist diesen Aufgaben überhaupt nicht gewachsen.

Stuttgart - Frontex soll die EU-Außengrenzen schützen. Doch die Bilanz der europäischen Grenzschützer ist ernüchternd – und die Prognose für das laufende Jahr düster.   Frontex – wenn es um die Schengen-Grenzen geht, tragen deutsche Politiker die EU-Grenzschutzagentur wie eine Monstranz vor sich her. Bundesinnenminister Thomas de Maizière  im Dezember 2015: Wenn die EU-Außengrenze nicht ausreichend geschützt werden könne, solle Frontex den Schutz übernehmen. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder: Weil einige Staaten nicht in der Lage seien, ihre Grenzen zu sichern, müsse Frontex zur vollwertigen Grenzpolizei umgebaut werden.

 

Doch diese deutsche Hoffnung entpuppt zunehmend als Fata Morgana. Am Dienstag hat Frontex-Chef Fabrice Leggeri eine ernüchternde Bilanz vorgelegt. Der Agentur fehlt es an vielem: an eigenen Grenzbeamten, an eigenen Booten, an ausreichenden Befugnissen. Beispiel Griechenland: Hellas wird vorgeworfen, zum effektiven Grenzschutz nicht fähig oder willens zu sein. Zur Kontrolle der Grenze zu Mazedonien forderte Griechenland daraufhin 100 Frontex-Beamte an. Athen bekam aber nur sechs bis acht. Warum? Weil EU-Mitgliedsländer nicht genügend Personal zur Verfügung stellten, sagt Leggeri.

Einer großer Teil der Beamten muss Hotspots betreiben

Beispiel Hotspots: Laut Leggeri haben die EU-Mitgliedsländer insgesamt 1200 Grenzbeamte an Frontex abgeordnet. Davon arbeiten allein 775 in Griechenland. Und der größte Teil von ihnen muss die Hotspots betreiben: Flüchtlinge registrieren, die Echtheit von Dokumenten prüfen, Staatsangehörigkeiten ermitteln – und gelegentlich auch abschieben. Personal für andere Aufgaben bleibt da kaum noch übrig.

Frage an Leggeri: Wie viele Flüchtlinge werden inzwischen auf den griechischen Inseln registriert? Die Vertretung der EU-Kommission in Berlin hatte vor dem EU-Gipfel die Zahl 78 Prozent genannt. Der Frontex-Chef redet lange und sagt nichts. Auch seine Sprecherin will partout keine Quote nennen. Sie wisse gar nicht, wer die Zahl von 78 Prozent in die Welt gesetzt habe. Auf den griechischen Inseln könne sich jeder Flüchtling frei bewegen. Jene, die in Europa keine Bleibeperspektive hätten, vermieden es, registriert zu werden. Weil folglich nicht sichergestellt werden könne, dass alle Flüchtlinge registriert würden, könne auch keine Registrierungsquote genannt werden. Kontrolle sieht anders aus.

Noch kein Frontex-Beamter auf türkischem Boden

Beispiel griechisch-türkisches Rückführungsabkommen: Ankara und Athen pflegen bekanntlich nicht die herzlichsten Beziehungen miteinander. Sie haben sich jedoch darauf verständigt, das Abkommen mit Leben zu erfüllen. Demnach könnte Griechenland Flüchtlinge zurück in die Türkei schicken. Auch die Kanzlerin hatte das Abkommen als wichtigen Baustein der EU-Türkei-Agenda genannt. Doch Leggeri räumt ein: Es funktioniert nicht. Frontex soll bei der Überwachung der Ägäis im Zusammenspiel mit der Nato sowie der türkischen und der griechischen Küstenwache eine zentrale Rolle spielen. Bisher arbeitet allerdings noch kein einziger Frontex-Beamter auf türkischem Boden. In diesen Tagen soll immerhin ein Verbindungsoffizier entsandt werden.

Eigentlich soll heute der Nato-Einsatz in der Ägäis beginnen. Daher Frage an Ewa Moncure, die Sprecherin Leggeris: Beobachtet Frontex türkische Aktivitäten, die darauf schließen lassen, dass Ankara illegale Migration verhindern will? Moncure windet sich. Es gebe Tage, an denen weniger Schutzsuchende auf den griechischen Inseln ankämen. Das sei aber dem schlechten Wetter geschuldet.