Der Wettbewerb zwischen den Flughäfen ist hart. Ist Stuttgart dabei an die rechtlichen Grenzen gegangen – oder darüber hinaus? Das prüft nun auch die Staatsanwaltschaft.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Sind die ins Zwielicht geratenen Zahlungen des Stuttgarter Flughafens an Airlines auch ein Fall für die Strafjustiz? Diese Frage wollte der Aufsichtsrat eigentlich erst von Anwälten klären lassen. Eine Berliner Kanzlei ist beauftragt, die strafrechtliche Relevanz zu untersuchen. Doch schon vor deren Befund ist nun die Stuttgarter Staatsanwaltschaft aktiv geworden. Man habe „Vorermittlungen“ eingeleitet, sagt ein Behördensprecher, prüfe also einen möglichen Anfangsverdacht. Was den Anstoß dazu gab, wird nicht verraten; die Recherchen unserer Zeitung scheinen eine Rolle gespielt zu haben.

 

Für den früheren Flughafenchef Georg Fundel dürfte das überraschend kommen. Schon über das bisherige Ausmaß der Untersuchungen hatte er sich verwundert gezeigt. Alle Geschäfte seien intern und gegenüber dem Aufsichtsrat offengelegt worden, hatte er gesagt. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und das Finanzamt hätten sie regelmäßig geprüft und nie beanstandet. Seine Botschaft: Was jetzt infrage gestellt werde, sei das ganz normale Geschäftsgebaren an Flughäfen.

Dauerthema für Airlines und Flughäfen

Tatsächlich sind die Flughafenentgelte, um die es geht, seit vielen Jahren ein Dauerthema zwischen Airports und Airlines. Die Fluglinien zahlen sie fürs Starten, Landen und Abstellen ihrer Maschinen, die Flughäfen finanzieren damit zu einem guten Teil ihre Infrastruktur. Jedes Jahr fließen laut dem Bundesverband Deutscher Fluggesellschaften (BDF) bundesweit mehr als 2,9 Milliarden Euro. Für einen Airbus 320 etwa würden pro Flug 6300 Euro fällig, je Passagier rund 42 Euro. Zehn Prozent des Ticketpreises entfielen auf die Entgelte. Genehmigt werden die „Entgeltordnungen“ in Absprache mit den Airlines von den Landesluftfahrtbehörden.

Geklagt wird auf beiden Seiten. Beim Flughafenverband ADV heißt es, wegen der „Marktmacht der großen Fluggesellschaften“ seien kostendeckende Beträge kaum durchzusetzen. Die Airports müssten für ihre Infrastruktur von anderswo Geld zuschießen. Der Airlineverband BDF stöhnt dagegen über stetig steigende Entgelte. Bei Investitionsbedarf hielten sich die Flughäfen stets an die Fluggesellschaften. Die Einnahmen durch Geschäfte und Parkhäuser aber, die es ohne die Fluggäste nicht gäbe, behielten sie alleine für sich.

Wildwuchs bei den Werbezuschüssen

Doch im harten Wettbewerb fanden sich da und dort offenbar Wege, den Fluggesellschaften abseits bürokratischer Regeln entgegenzukommen. Der eine war eine Art Mengenrabatt: Wenn eine neu etablierte Verbindung etwa besser ausgelastet war als erwartet, floss schon mal Geld zurück – „Kick-Back-Zahlung“ heißt das in der Branche. Zum beliebten Instrument wurden – auch in Stuttgart – zudem die Zuschüsse für Marketing oder Werbung. Flughäfen zahlen mit dafür, ein neues Angebot bekannt zu machen – was in beiderseitigem Interesse liegt. Im Lauf der Zeit gab es dabei wohl einen gewissen Wildwuchs, der in den zurückliegenden Jahren eingedämmt wurde. Stuttgart sei damit spät dran, hört man in der Branche, tue es unter der neuen Geschäftsführerin Arina Freitag nun aber konsequent.

Bei der laufenden Aufarbeitung geht es im Kern um die Frage, ob sich die „Marketingzuschüsse“ im rechtlichen Rahmen bewegten, wie Fundel meint – oder ob sie diesen sprengten, wie Freitag argwöhnte. Die Antwort kann vielleicht nur die Justiz geben.