Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

So was ähnliches hat Michaela auch schon im Forum gepostet. Natürlich hat sie auch mal mit dem Gedanken gespielt, mit der Faust auf den Tisch zu hauen, Bernds Frau anzurufen und ihr die Wahrheit hinzuknallen. Sie hat es nicht übers Herz gebracht. Laut Hans Jellouschek war es auch besser so: „Ich habe das schon bei Paaren erlebt, das hat nur zu Chaos geführt.“ Denn selbst, wenn es gut ginge und der Mann danach mit der Geliebten zusammenlebte, schwebte über ihm eine Bringschuld, sagt der Therapeut: Er hätte seinen Teil zur Beziehung nicht beigetragen.

 

„Wenn wir zusammen sind, weiß ich, dass ich die Frau bin, die er immer wollte“, sagt Michaela mit einer Stimme, die ganz nah bei der Verzweiflung wohnt. Sie verharrt in einem Wartezustand und sieht draußen das Leben im ICE an ihr vorbeirasen. Sie sagt, sie fürchte sich, alleine alt zu werden. Lieber hält sie fest an Bernds schwammigen Versprechungen. „Das ist, wie wenn man einem Esel eine Möhre hinhält, damit er weitertrottet“, sagt der Paartherapeut Jellouschek. „Die einzige Chance, die ich sehe, ist, dass sie das Verhältnis beendet, sich als Single versteht. Sie könnte Perspektiven entwickeln und wäre wieder offen für jemanden Neues. Aber so bleibt sie tatsächlich allein.“

Und welche Erfolgschancen hätte die dritte Variante, eine glücklichen Beziehung zwischen drei Menschen? Könnte das klappen? „Ist mir noch nicht begegnet“, sagt Hans Jellouschek. „Das ist schon deshalb illusorisch, weil zwei von den Dreien spüren, dass es ihrem Grundbedürfnis widerspricht, für einen anderen Menschen einzigartig zu sein.“ Die Erkenntnis des Paartherapeuten ist ernüchternd in Anbetracht der quietschvergnügten Experimentierfreude, die eine sexuelle Revolution vor Jahrzehnten freisetzte: Aus Expertensicht erweist sich die konventionelle Zweierbeziehung als das solideste Modell.