Das Formel-1-Team bekommt gewisse Probleme am Rennwagen nicht in den Griff, Superstar Lewis Hamilton hat die Geduld verloren und wechselt 2025 zu Ferrari – und die Stimmung droht bei den Silberpfeilen zu kippen. Dennoch glaubt Rennstallchef Toto Wolff an eine Wende.
Sagt ein Rennfahrer, dass er sich im Kreis dreht, dann ist das eine flapsige, aber halbwegs korrekte Berufsbeschreibung. Sagt der Chef des Formel-1-Teams Mercedes nach erst zwei Rennen in der neuen Saison, dass man sich im Kreis drehe, dann ist das besorgniserregend. Alarmierender noch, wenn Toto Wolff hinzufügt: „Wir wissen nicht, warum . . .“
Irgendeine „Crux bei der Downforce“, heißt es im Racing-Kauderwelsch, bremse den Silberpfeil ausgerechnet da ein, wo es darauf ankomme in diesem Sport – in den High-Speed-Passagen. Plötzlich war Mercedes, als Nummer zwei hinter Red Bull Racing in diese Saison gegangen, zuletzt in Dschiddah nur noch die fünfte Kraft im Rennen. Im Wortsinn muss Mercedes die Kurve kriegen – und zwar schnell.
Die Plätze sechs und neun für George Russell und Lewis Hamilton waren ein Debakel auf hohem Niveau. Vierter in der Konstrukteurs-EM zu sein, das entspricht nicht dem Anspruch von Mercedes. So tief ist man in den letzten elf Jahren nie gerutscht. Der Große Preis von Australien am Sonntag (5 Uhr MEZ) wäre rein geografisch der richtige Ort, die Rennwelt wieder auf den Kopf zu stellen. Klar scheint aber jetzt schon: Es muss weiter experimentiert werden. „Wir brauchen zumindest einen besseren Kompromiss in der Fahrzeugabstimmung“, fordert Russell. Bisher haben die Wochenenden meist stark angefangen, nur um dann stark nachzulassen.
Seit zwei Jahren, seit das neue Reglement in Kraft getreten ist, das die Formel-1-Autos stärker auf den Asphalt presst, fährt Mercedes seiner Form hinterher. Fehler in der Konstruktion können schon mal passieren, sonst würde es auch langweilig werden in der WM. Doch von den Abo-Siegern war auch erwartet worden, den Rückstand schnell zu korrigieren. Doch das dauerte. Ein zweites Jahr verstrich, es folgten Personalrochaden in der technischen Abteilung, und über den letzten Winter und nach einer sieglosen Saison gab es einen radikalen Neuanfang. Sie dachten, sie hätten den Ärger hinter sich. Doch jetzt scheint wieder alles beim Alten. Folgt ein drittes Jahr der Enttäuschungen?
Das Auto ist instabil
Das Auto ist schnell, keine Frage, aber das Heck des W15 ist den Fahrern zu instabil. Manchmal taucht sogar wieder die längst kuriert geglaubte Kinderkrankheit des Hüpfens auf. Während Max Verstappens Red Bull, der eine schicke Kopie des Mercedes-Grundkonzepts von 2021 ist, wie auf Schienen fährt, beginnt die komplizierte Suche nach dem richtigen Grip für Mercedes bei jedem Rennen scheinbar aufs Neue. Toto Wolff ist kein Schönredner, er legt den Finger in die Wunde: „Es gibt immer noch zu viele Fragezeichen.“ Um Fahrzeug und Seele wieder in Balance zu bringen, muss erst das Problem verstanden werden.
Noch ist das ein Mysterium, aber noch herrscht kein Chaos, dafür ist die Truppe an sich zu stark. Aber es gibt auch keinen richtigen Fortschritt. Kürzlich war der britische America’s-Cup-Kapitän Ben Ainslie in der Rennfabrik in Brackley zu Gast, der kennt sich mit dem Durchqueren unbekannter Gewässer gut aus. Unbekannte Gewässer. Denn es ist nicht nur eine rein aerodynamische Frage, die sich für das ehemalige Champion-Team gerade stellt. Um die Leistung wieder auf die Straße zu bringen, muss auch geklärt werden, wie groß die Unruhe innerhalb der erfolgsverwöhnten Mannschaft ist und wie groß die Gefahr, dass sie sich zur Verunsicherung ausweitet. Dass Lewis Hamilton nach seinen jahrelangen Treueschwüren 2025 zu Ferrari wechselt, wirkt nicht gerade beruhigend für das Klima im Team der Silberpfeile. Für manche sieht es nach Flucht aus. Der Rekordweltmeister erscheint zunehmend ungehaltener: „Es ist jetzt das dritte Jahr in Folge, dass wir an diesem Problem zu kauen haben. Das frustriert. Wir brauchen große Veränderungen.“ Personell sind diese gerade geschehen: Von Ferrari wurden der ehemalige Technikchef Simone Resta und der Software-Experte Enrico Sampo abgeworben.
Fundamentales Problem
Sollte es tatsächlich ein fundamentales Problem sein, dann erscheint es umso wichtiger, dass Toto Wolff gelassen bleibt. Er weiß, wie gefährlich es wäre, wenn sich eine Krise im Kopf festsetzt: „Ich habe meine Denkweise geändert. Ich glaube nicht, dass der zusätzliche Druck, der auf uns allen lastet, es besser macht. Wir haben ein Problem mit der Physik. Aber es liegt nicht an der Einstellung, der Motivation oder der Energie. All das ist vorhanden. Ich spüre die Entschlossenheit.“
Deshalb glaubt Wolff fest daran, dass Ruder herumreißen zu können: „Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass wir uns wieder aufrappeln.“ Vielleicht hilft dabei sogar der vorherrschende (Zweck-)Pessimismus: „Wir waren noch nie übermütig. Es ist eher umgekehrt, und wir sehen das Glas immer halb leer.“ Diese Einstellung soll auch in Zukunft beibehalten werden. „Denn das ist auch die Einstellung, mit der man es schaffen kann“, sagt der Österreicher Toto Wolff.
Der erste Erfolg wäre, das Vertrauen in sich selbst zurückzugewinnen.