Sebastian Vettel hat den Großen Preis von Südkorea gewonnen und damit die Führung in der WM-Wertung übernommen. Der 25-Jährige liegt jetzt sechs Punkte vor Ferrari-Pilot Fernando Alonso, der in Yeongam Dritter wurde.

Yeongam – So funktioniert Formel-1-Arithmetik: Sebastian Vettel ist nach der Solofahrt beim Großen Preis von Südkorea der einzige Formel-1-Pilot, der in dieser Saison vier Siege eingefahren hat. Noch vier Rennen zu fahren, und der Titelverteidiger hat dem am Sonntag Drittplatzierten Fernando Alonso mit seinem Hattrick wieder die WM-Führung abgenommen. Da waren es nur noch zwei, die den Titel unter sich ausmachen. Zwei Fahrer, zwei Teams, eine eigene Liga.

 

Sebastian Vettel will in der Siegeransprache auf dem Podium gar nicht mehr aufhören zu reden, auch die Nationalhymne singt er mit. Das ist das beste Zeichen, dass er nach dem technischen Problemsommer im Herbst wieder goldene Zeiten erlebt: „Ich bin sehr erleichtert“, sagt er. Der Erfolg vor dem Teamkollegen Mark Webber bedeutet den ersten Doppelsieg für Red Bull in dieser Saison, auch das hat noch kein anderer Rennstall in diesem Jahr geschafft. Für Vettel ist es Grand-Prix-Erfolg Nummer 25 seiner Karriere, das bedeutet Rang sieben in der ewigen Bestenliste. „Red Bull ist momentan leider unschlagbar“, glaubt der eifrige Punktesammler Alonso.

Platz lassen! Es gibt keinen Teamchef, der seinen Piloten das nicht eingeschärft hat vor dem Rennnachmittag am Gelben Meer. Denn der Korean International Circuit beginnt ganz untypisch mit zwei Geraden – und zwei scharfen Ecken. So lautet auch die Teamorder bei Red Bull, wo Mark Webber sich vor Sebastian Vettel für die Pole-Position qualifiziert hat. Platztausch? Kopfschütteln im britisch-österreichischen Rennstall. Freie Fahrt für freie Geister. Der Heppenheimer hat einen dicken Hals, weil ihn sein Renningenieur nicht vor einem langsameren Auto gewarnt hat. Aber so was setzt gewöhnlich mehr Energie bei ihm frei, als in der Dose ist, für die er wirbt.

Alonso hüpft mit dem Ferrari förmlich

Am Start schiebt sich Vettel auf der schmutzigen Seite der Piste innen vorbei. Das ist noch nicht die endgültige Entscheidung, die fällt erst, als es ein paar Hundert Meter weiter nach rechts geht: Vettel behält ihm internen Duell die Hoheit. Fernando Alonso, von Platz vier direkt hinter dem Deutschen gestartet, macht es ihm nach. Er hüpft mit dem Ferrari förmlich an Lewis Hamilton vorbei. Damit ist nach dem ersten Drittel der ersten Runde jener WM-Gesamtstand zementiert, mit dem es nun in die letzten vier Rennen geht: Vettel, der zum ersten Mal seit Mitte Mai wieder allein die Formel 1 anführt, 215 Punkte, Alonso 209. Kimi Räikkönen, der mit 167 Zählern nur noch theoretische Chancen hat, ebenso wie Lewis Hamilton (153), der nach bravourösem Kampf mit seinen heruntergefahrenen Reifen in der koreanischen Provinz bis auf Rang zehn nach hinten durchgereicht wird. Felipe Massa liefert als Vierter in Yeongam erneut eine starke Leistung ab, Eine Vertragsverlängerung bei Ferrari scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, und auch den Funkspruch „Komm Fernando nicht näher als zweieinhalb Sekunden“ hat der Brasilianer brav befolgt. So viel zur freien Fahrt.

Natürlich klappt das mit dem Platzlassen nicht überall, auch wenn der erklärte Bösewicht Romain Grosjean diesmal fehlerfrei durchkommt. In der ersten Kurve ruiniert sich Sergio Perez den Frontflügel, weil er Nico Hülkenberg ins Heck fährt. Der 25-Jährige aus Emmerich wird trotzdem noch Sechster mit dem Force India.

Rosberg muss Silberpfeil an der Mauer abstellen

Wesentlich schlimmer geht es in der nächsten Kurve zu: Kamui Kobayashi, vor Wochenfrist noch der Pilot der Herzen als Dritter in Suzuka, räumt in Kamikaze-Manier den McLaren von Jenson Button ab, und kappt damit die letzten Titelträume des Briten. Zweites Opfer der so unnötigen wie übermütigen Situation wird Nico Rosberg, der seinen Silberpfeil zum zweiten Mal in einer Woche an der Mauer abstellen muss, ohne Schuld zu haben. Kollege Michael Schumacher bleibt zwar im Rennen, kann sich aber gegen das erstarkte Mittelfeld kaum wehren. Ob Toro Rosso oder Force India – der Werks-Mercedes ist leichte Beute. Schumacher wird als Dreizehnter abgewinkt.

Die Sitten werden immer rauer, der Ärger immer größer, und die Durchfahrtstrafe für Kobayashi lindert das keineswegs. Rosbergs Beruf heißt Rennfahrer, nicht Schattenparker, darauf weist er hin: „Das macht so keinen Spaß. Einige gehen einfach zu viel Risiko, das muss sich ändern. Eine Handvoll Fahrer ist zu extrem.“ Dabei hatte der Wiesbadener alle Kollegen vor dem Rennen noch zum koreanischen Büfett eingeladen.

Die restlichen 54 Runden sind die mittlerweile bekannte Fahrt Vettels gegen die große Einsamkeit, nur durch gelegentliche Ermahnungen unterbrochen, an den rechten Vorderreifen zu denken. Der wird immer heißer, bei Red Bull werden sie nervös, weil der Titelverteidiger wie gewöhnlich immer noch mehr Gas gibt: „Du wirst nichts vorher spüren, aber dann ist es zu spät“, so heißt es über Funk. Vettel, ein meisterhafter Ignorant – im letzten Umlauf fährt er seine persönliche Rundenbestzeit. Dazu passt seine Einschätzung der generellen Lage: „Wir müssen auf uns schauen, nicht auf die andern. Wir dürfen da keine Energie verschwenden.“ Ein Vorgeschmack auf all die kleinen und großen Dramen, die noch kommen werden.