Trotz des sportlichen Erfolgs gibt es bei Mercedes Probleme – mit dem Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und dem Anteilseigner Aabar.

Stuttgart - Was ein Grand-Prix-Sieg alles ausmacht. Plötzlich verschiebt sich die Perspektive. Nico Rosberg war von seinem fünften Platz in Bahrain neulich enttäuscht. „Wir hatten nicht den Rennspeed, um Webber auf Platz vier zu schlagen, wir müssen herausfinden warum“, sagte er. Vor vier Wochen hätte Mercedes dieses Ergebnis im eigenen Lager noch als akzeptabel eingestuft. „Wir zählen jetzt zu den Topteams. Da gehört es dazu, dass man sich über einen fünften Platz ärgert“, sagte der Teamchef Ross Brawn.

 

Der Erfolg in Shanghai hat vieles einfacher gemacht für Mercedes. Endlich hören die bohrenden Fragen auf, warum sich ein Automobilkonzern von einem Brausehersteller schlagen lassen muss. Mercedes hat bewiesen, dass die Mannschaft ein Siegerauto bauen kann. Dass sie jetzt aber zum Seriensieger werden, davon darf keiner ausgehen. Das Feld ist zu ausgeglichen, als dass einer dominieren könnte. „In diesem ständigen Auf und Ab entscheidet die Tagesform“, sagte Sebastian Vettel nach seiner ersten Pole-Position in diesem Jahr.

Der Team-Anteilseigner Aabar will aussteigen

Mercedes kämpft jetzt auf Augenhöhe mit denen, die die Silberpfeile vor einem Jahr noch überrundet haben. Das gibt Hoffnung für die Zukunft. Beim großen Wettrüsten, das beim nächsten Rennen am 13. Mai in Barcelona in seine erste Runde geht, können sich die Mercedes-Ingenieure auf Verbesserungen am Auto konzentrieren. „Letztes Jahr waren wir zur gleichen Zeit damit beschäftigt, unsere Baustellen aufzuräumen“, sagt Norbert Haug.

Trotz der Sternstunde von China hängt der Himmel für den Mercedes-Sportchef und sein Team nicht voller Geigen. Denn der Fahrerlagerfunk verbreitet die Meldung, dass der Anteilseigner Aabar aussteigen will. Der Investmentfirma aus Abu Dhabi gehören 40 Prozent des Formel-1-Rennstalls. Außerdem fließen Sponsorgelder in nicht unerheblicher Höhe. Aabar ist auch der größte Aktionär des Daimler-Konzerns. Der Teamchef Ross Brawn wollte die Gerüchte nicht kommentieren: „Wir reden nicht über Dinge, für die wir keine konkreten Anhaltspunkte haben.“ Über die Gründe der offenbar bevorstehenden Trennung wird in der Szene eifrig diskutiert. Offenbar fühlten sich die Scheichs nicht so behandelt, wie es einem Geldgeber dieser Größenordnung zusteht.

Ecclestone contra Mercedes

Auch auf der politischen Ebene weht Mercedes ein scharfer Wind ins Gesicht. Bernie Ecclestone hat mit der Mehrheit der Teams Spezialabkommen für die Zusammenarbeit mit seiner Formel-1-Vermarktungsfirma geschlossen. Die kleinen Teams wie HRT und Marussia sind noch nicht im Boot. Das trifft auch auf den mächtigen Mercedes-Rennstall zu. „Im Moment ist das noch der Stand“, bestätigt Haug. Mehr will er nicht sagen. Es handelt sich um ein schwebendes Verfahren.

Ecclestone lässt den nach Ferrari imageträchtigsten Rennstall am langen Arm verhungern. Sein Verteilungsschlüssel belohnt die Zugehörigkeit zum Grand-Prix-Zirkus und frühere Erfolge. Beides kann oder will er bei Mercedes nicht in Betracht ziehen. Auf dem Papier gab es ein Team dieses Namens nur von 1954 bis 1955 und von 2010 bis heute. Nach 1955 wechselte der Rennstall aus Brackley in loser Folge die Namen: von Tyrrell zu BAR zu Honda zu Brawn-GP und zu Mercedes.

Der Versuch, sich die Erfolge dieser Kaskade anrechnen zu lassen, stößt bei Ecclestone auf taube Ohren. „Sie haben seit einem Monat einen Vertragsentwurf auf dem Tisch liegen. Wir haben mit dem Teamchef darüber gesprochen, und er scheint zu glauben, dass dieses Team einige WM-Titel und um die 80 Rennen seit den Tagen von Tyrrell gewonnen hat“, sagte der 81-Jährige. „Ich konnte nicht einmal feststellen, dass sie für diesen Zeitraum unter dem Namen Mercedes gemeldet waren. Wo kommen dann die Siege her? Seit der Zeit von Tyrrell gab es vier Eigentümer und vier verschiedene Namen. Ich kann in diesem Team wenig Historie erkennen.“

Der Formel-1-Pate fordert eine langfristige Garantie

Rational ist die Verstimmung zwischen dem Formel-1-Paten und Mercedes nicht zu erklären. Der Name Mercedes hat Strahlkraft, er könnte weitere Automobilhersteller anlocken, er steht für 20 Jahre zuverlässiger Versorgung mit Motoren. Trotzdem gibt es Differenzen, zum Beispiel bei der Garantie. Ecclestone will alle Teams gerne bis 2020 verpflichten. Das erhöht den Wert der Aktie Formel 1. Ein Autohersteller aber hat ein Problem damit, sich auf einen so langen Zeitraum festzulegen.

„Wahrscheinlich ist es schwierig, so eine Garantie abzugeben“, sagt der Engländer. „Andererseits sind sie auch in der Lage auf anderen Gebieten langfristige Verträge zu unterschreiben. Die Automarke Mercedes ist ein Aktionär des Formel-1-Teams. Es ist also nur eine Frage, ob dieser Anteilseigner oder ein anderer für seinen Anteil am Team eine Garantie abgeben will.“ Es kam auch nicht so gut in der Formel-1-Zentrale an, dass Mercedes in einer frühen Verhandlungsphase mit dem Gang zum Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung der Wettbewerbsrechte drohte. So kann man Ecclestone nicht kommen. Der liebt die Konfrontation, aber nur solange sie in der Familie bleibt.

Der Williams-Teamchef Adam Parr hatte sich zuletzt häufiger nicht daran gehalten. Ecclestone ließ auch Williams lange links liegen. Bis Parr das Team verlassen musste. Der Interimschef Toto Wolff atmet auf: „Wir sind jetzt auf einem guten Weg, mit Bernie zum Abschluss zu kommen.“