Der Spanier Fernando Alonso hadert vor dem Grand Prix von Belgien mit seinem schwächelnden Ferrari. Und das, obwohl Spa als Schlüsselrennen gilt. Der Weltmeister Sebastian Vettel droht wieder einmal zu enteilen.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Spa - In der Ferrari-Box ist die Welt noch in Ordnung. Fein säuberlich poliert präsentieren sich die Lastwagen, in denen die roten Rennwagen von Fernando Alonso und Felipe Massa verstaut sind. Gut gelaunt rollen Teammitglieder die Kisten hinüber in die Garage. Sie pfeifen, sie lachen – oder sie machen gar nix. Einer der Kollegen ist mit seinem Smartphone beschäftigt.

 

Die Szene erinnert an die Ruhe vor dem Sturm. Das Rennen in Spa ist die Formel-1-Schlüsselwettfahrt für Ferrari – und vor allem für Alonso, den sportlich ins Straucheln geratenen Supermann aus Oviedo. So gelöst es an der Basis zugeht, in den oberen Etagen herrscht bei den Italienern dagegen eine fürchterliche Gewitterstimmung. Die Ursache: Fernando Alonso. Der im Misserfolgsfall chronisch unzufriedene Spanier erlaubte sich vor der Sommerpause, die dieser Tage beim Grand-Prix von Belgien zu Ende geht, auf die ihm eigene Art zu sticheln. Auf die Frage, was er sich zum Geburtstag wünsche, ließ er sich nicht lange bitten und sagte: „Ein Red-Bull-Auto.“ Außerdem soll er angedroht haben, die Fehlleistungen seiner Mechaniker im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der Ferrari-Präsident spricht ein Machtwort

So, Freunde guter Manieren, geht es nicht! Luca di Montezemolo höchstpersönlich geißelte die Provokation des zweifachen Weltmeisters aus Spanien. Ein echter Ferrari-Pilot müsse in schwierigen Zeiten loyal sein und hinter seinem Team stehen, sprach der Ferrari-Präsident ein Machtwort und verlangte von dem aufmüpfigen Angestellten, doch lieber seine Führungsqualitäten zu beweisen statt zu motzen: „Ein Ferrari wie der in Budapest gefällt mir auch nicht. Aber wir müssen trotzdem zusammenhalten und auf gegenseitige Schuldzuweisungen und Polemik verzichten.“

Statt eines Red-Bull-Autos gab es für Alonso zum 32. Geburtstag also eine Standpauke. In China und Spanien siegte er zwar noch, doch danach holte er nur sechs Punkte. Am besten lässt sich der Abwärtstrend der italienischen Marke an Alonsos vergangenen vier Auftritten ablesen. Platz zwei, Platz drei, Platz vier, Platz fünf – während Sebastian Vettel vorne auf und davon fährt. In der Fahrerwertung rangiert Alonso mit 133 Punkten auf Rang drei, einen Zähler mehr hat der Lotus-Pilot Kimi Räikkönen, und als Vierter setzt der in Budapest wiedererwachte Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton mit 124 Punkten den Spanier unter Druck. Alonso spürt, dass er die WM-Saison abhaken kann, sollte es am Sonntag in Spa nicht zu einem fulminanten Ruck nach vorne kommen.

Vettel zieht einsam seine Runden

In seinem Traumauto Red Bull sitzt derweil der mit 172 Punkten enteilte Kollege Vettel. Der hat bei noch neun ausstehenden Rennen bereits 39 Zähler mehr. Dieser Vorsprung ist egalisierbar, doch das wohl nur auf dem Papier. Der Trend ist im Hinblick auf das Kräfteverhältnis eher der, dass Vettel mehr auf Mercedes aufpassen muss als auf Ferrari. Und nichts nervt Alonso mehr. Der Widersacher aus Hessen, der dem Spanier 2011 den fast sicher geglaubten Titel im letzten Rennen auf brutale Weise raubte, ist sein Feindbild Nummer eins.

Während Vettel auf seinen vierten Weltmeistertitel schielt, liegt Alonsos zweiter WM-Erfolg lange zurück. 2006 wurde er Champion im Renault. Seither arbeitet er daran, seine Ära aufrechtzuerhalten. Die ist jedoch dem Zerfall nahe, seit Vettel die Formel 1 dominiert wie früher Michael Schumacher. Und in Spa hat Alonso auch noch nicht gesiegt. „Alle großen Namen haben hier gewonnen, deshalb will ich das jetzt auch“, sagt er trotzig und lobt die Achterbahnfahrt durch die Ardennen als Männersache: „Eine Runde in Spa gleicht 20 Runden auf einer anderen Strecke, wenn es um Aufregung und Adrenalin geht.“

Hauptrolle in der Spionage-Affäre

Dass sich seine Ungeduld stets in Provokationen äußert, davon können sie auch bei McLaren ein Lied singen. Dort zog Alonso 2007 im Zweikampf mit Hamilton den Kürzeren, und seine Unzufriedenheit gipfelte in der Spionage-Affäre, in der er die tragende Rolle spielte. Nun droht Alonso, dass sie ihm bei Ferrari auch noch Kimi Räikkönen ins zweite Cockpit setzen – das wäre schon wieder ein Klassemann im eigenen Team.

Ein möglicher Wechsel Alonsos zu Red Bull, den er nur zaghaft dementierte, um Ferrari mal wieder zu ärgern, kommt dagegen wohl nicht infrage. Der Ex-Weltmeister Niki Lauda rät auch davon ab, das würde nur Unruhe in das funktionierende Red-Bull-Team bringen. Allerdings auch Ruhe in der Garage von Ferrari.