In den ersten drei Wettfahrten des Jahres offenbarte Mercedes eine Überlegenheit, die fast schon beängstigend ist – vor allem für seine Rivalen. Aber was macht Mercedes plötzlich so stark?

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Die Konkurrenz ist geschockt. In den ersten drei Wettfahrten des Jahres offenbarte Mercedes eine Überlegenheit, die fast schon beängstigend ist. Etwa 15 Stundenkilometer sei sein Red Bull auf der Geraden langsamer als der Mercedes, stöhnt Sebastian Vettel. Es sei auffallend, dass sich die Silberpfeil-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg bemühten, nicht ihr volles Potenzial zu zeigen, hat der McLaren-Mann Jenson Button beobachtet. Und der Ferrari-Angestellte Fernando Alonso blickt fassungslos zurück auf das Bahrain-Desaster: „Lewis hat im Rennen mit uns allen gespielt.“

 

Was macht Mercedes plötzlich so stark? Dies genau zu erklären, fällt selbst den Silberpfeil-Tüftlern schwer. Doch bekommen sie mit jeder weiteren Siegfahrt das Gefühl, den besten Job gemacht zu haben im Vorfeld einer Saison, in der sich die Technik gravierend änderte. Zumindest aber scheint der Großangriff auf die Übermacht von Red Bull von langer Hand geplant. So hat sich Mercedes schon im Juni des vergangenen Jahres auf das neue Auto konzentriert. Als Red Bull während der Saison 2013 noch an der Software für die damals aktuelle Motorsteuerung feilte, ließen die Stuttgarter ihren Rennwagen einfach brausen – um die Weltmeisterschaft ging es ja ohnehin nicht mehr. Also wurde bereits im Sommer 2013 der Turbomotor für 2014 auf dem Prüfstand zum Glühen gebracht.

Fehlerquellen wurden früh identifiziert

Aber auch am Zusammenwachsen von Chassis und Motor wurde vorzeitig gearbeitet. „Ein Grund dafür, dass unser Auto gut funktioniert, ist, dass wir relativ früh begonnen haben Chassis und Power Unit miteinander zu integrieren. Dadurch konnten wir Fehlerquellen früher identifizieren und sind somit mehr zum Testen gekommen als andere Teams“, sagt der Mercedes-Sportchef Toto Wolff. Überdies sei das Team aerodynamisch, elektronisch und in der Fahrzeugdynamik gut aufgestellt – nun gelte es, die guten Ergebnisse der ersten drei Saisonrennen zu konsolidieren.

Im Hinblick auf den komplexen Antriebsstrang mit zwei Hybridaggregaten, die den 1,6-Liter-Turbomotor zusätzlich befeuern, hat Mercedes die Probleme tatsächlich am besten gelöst. Und die Probleme lagen auf der Hand. Einerseits musste auf kleinstem Raum irgendwie Platz geschaffen werden für die zusätzlichen Komponenten. Mal wurden sie dort platziert, dann wieder woanders – ein munteres Ausprobieren war das. Zum anderen durften die zusätzlichen Elemente nicht die Motorkühlung verschlechtern. Das Team Red Bull und sein Motorenpartner Renault hatten exakt dabei große Schwierigkeiten. Bei den Testfahrten vor der Saison stand das Auto sogar in Flammen.

Mit zuletzt zwei Doppelerfolgen nach Shanghai

Da Mercedes das Chassis wie den Motor selbst herstellt, sind die Wege zwischen den Werken in Brixworth und Woking ohnehin deutlich kürzer als bei der Konkurrenz. Von Anfang an haben die beiden britischen Abteilungen an der Entwicklung des Rennwagens mit der Bezeichnung W 05 eng zusammengearbeitet. Alles fast unter einem Dach zu haben, erweist sich als Vorteil. „Mercedes hat den besten Motor, zum ersten Mal ein Auto auf Red-Bull-Niveau und ein starkes Fahrerduo – da sind zwei potenzielle Weltmeister unterwegs“, sagt ein renommierter Formel-1-Reporter, der die Formel 1 seit mehr als 30 Jahren begleitet.

Es wird aber der Tag kommen, da Mercedes entscheiden muss, wer den Titel holen soll – Rosberg oder Hamilton. Noch dürfen sie gegeneinander fahren, das ist gut für den Sport, könnte aber zum Bumerang werden, wenn sie sich von der Piste schubsen. Selbstbewusst sind sie beide, da könnte Ärger also programmiert sein. „Sie sind nicht die besten Freunde, aber sie respektieren sich“, sagt Toto Wolff. Doch sei auch klar, dass das Team zuerst komme. „Solange sie sich weiterhin so fair auf der Rennstrecke verhalten, können sie sich auch duellieren“, sagt der Teamchef, der sich über die Risiken von demolierten Frontflügeln im Eifer des Gefechts durchaus bewusst ist.

Am Sonntag wird in China gefahren – Mercedes reist mit zuletzt zwei Doppelerfolgen nach Shanghai. „Es herrscht Aufbruchstimmung, man ist stolz ein Teil von Mercedes zu sein und für das Team zu arbeiten – und das schlägt sich dann in den Ergebnissen nieder“, sagt Toto Wolff über das intern momentan prächtige Klima, das die Herren Vettel, Button und Alonso am liebsten schon in China stören wollen. Leichtgewichte sind sie nicht. Doch zu viele Hoffnungen können sie sich nicht machen.