In der wissenschaftlichen Analyse von Heldenfiguren steckt weit mehr als eine Spielerei. Es geht um viel Geld – und um Erkenntnisse für Zukunftstechnologien, die den Alltag von Menschen prägen werden. „Uncanny-Valley ist schon für viele Softwareunternehmen und für Hollywoodstudios zu einem finanziellen Problem geworden“, sagt Niels Henze. Filme oder Computerspiele floppten, weil sich die Konsumenten mit den Heldenfiguren nicht identifizieren konnten. Henze erzählt von L.A. Noire, einem düster gehaltenen Spiel, das im Los Angeles der Nachkriegsjahre spielt. „Das war eines der aufregendsten Computerspiele überhaupt“, so Henze. „Aber viele Spieler haben es kaum ertragen, in die Gesichter der animierten Figuren zu schauen.“ Diese waren besonders nah an der Realität, da ihre Mimiken jenen von echten Schauspielern sehr nahe kamen, die zuvor mit Videokameras aufgezeichnet wurden.

 

„Für mich stellt sich die Frage, ob wir künftig noch besser sein können als die Realität“, sagt Henze. Dank der sich rasant entwickelnden Computertechnik lassen sich virtuelle Welten immer realistischer und detailgetreuer gestalten. Je stärker die VR-Technik in alle Bereiche des Alltags vordringt, desto intensiver müssen sich Programmierer, Designer und Forscher damit auseinandersetzen, wie Figuren und Umgebungen in diesen virtuellen Welten aussehen sollen.

Ideen für das Museum 2.0

Niels Henze denkt dabei unter anderem an Museen. Schon heute gebe es bedeutende Sammlungen, die Interessenten auch virtuell erkunden könnten. Dabei können Informationen zu einzelnen Ausstellungsstücken digital noch interessanter aufbereitet werden als in der analogen Welt. Und doch fehlt aus Sicht des 39-Jährigen etwas: „Ein Museum besuche ich normalerweise mit meiner Partnerin und unterhalte mich mit ihr darüber. Wenn ich eine Frage habe, kann ich mich an Aufsichtspersonal wenden.“ Noch fehlt meistens die Zwiesprache in diesen Museen 2.0 – genauso wie eine Idee, wie diese menschliche Komponente im Detail beschaffen sein sollte, damit sie für die Nutzer einesVR-Museums auch als angenehm empfunden wird.

Der Blick auf Figuren, die Klischeevorstellungen von Helden oder Schurken entsprechen, ist für die Stuttgarter Forscher Anstoß für weitere Forschungen über Kunstfiguren aus dem Rechner. Die Resultate zeigen, dass die meisten Betrachter unnatürliche Proportionen und Abweichungen vom menschlichen Durchschnitt als unheimlich empfinden – dazu zählen auch eine sehr helle Gesichtsfarbe oder eine zu detaillierte, realistische Darstellung der Haut. Nun wollen die Wissenschaftler einen Schritt weitergehen: Sie planen Studien über bewegte und sprechende Figuren. Die Zukunft gewinnt an Gestalt – auch am Institut für Visualisierung in Stuttgart-Vaihingen.