Das Ludwigsburger Forum setzt in der neuen Spielzeit noch stärker auf Tanz und Musik, hat famose Compagnien und klingende Namen wie Mischa Maisky, Joshua Bell oder die Fado-Königin Mariza im Programm. Das Sprechtheater wird dafür quasi abgeschafft.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Das Publikum im Forum am Schlosspark ist zurück: „46 000 Besucher, das ist weit mehr, als wir erwartet haben“, gibt Wiekbe Richert, die Ludwigsburger Fachbereichsleiterin für Kunst und Kultur, erleichtert zu Protokoll. Und Lucas Reuter, Künstlerischer Leiter des Forums, triumphiert: „Damit konnten wir nahtlos an die letzte reguläre Spielzeit vor Corona anknüpfen. Das zeigt: Kultur gehört wesentlich zum Selbst- und Außenbild von Ludwigsburg.“ Zwei Drittel des Publikums kämen aus der Stadt und dem Kreis, ein Drittel aus dem großen Stuttgart, manche von noch weiter her.

 

Mit dem Programm der Spielzeit 2023/2024, das sie jetzt vorgestellt haben, wollen Reuter und Richert das kulturelle Gedeihen in der drittgrößten Spielstätte Baden weiterhin befördern: mit klarem Fokus auf Tanzvorstellungen von hervorragenden Compagnien und mit Orchester-, Jazz- und Weltmusik, interpretiert von nationalen und internationalen Größen wie dem Geiger Joshua Bell, dem Cellisten Mischa Maisky oder der Fado-Königin Mariza. Dafür verabschiedet sich das Forum weitgehend vom gesprochenen Wort: Außer der Karlsruher Brecht-Inszenierung „Leben des Galilei“, die ins Programm kam, weil das Werk Sternchenthema an den Gymnasien ist, wird es kein Theater-Abo mehr geben.

Schauspiel: zu teuer, zu wenig Interesse, akustisch problematisch

„Es war immer eine Gratwanderung, Produktionen zu finden, die genug künstlerische Kraft haben, um in diesen enorm großen Raum zu passen“, sagt Lucas Reuter. Produktionen dieser Größenordnung würden viele Schauspielhäuser gar nicht mehr erarbeiten. „Außerdem sind Schauspielproduktionen meistens sehr teuer, interessieren bei uns aber den kleinsten Publikumskreis.“ Wer gutes Theater schätze, komme im nahen Umkreis trotzdem auf seine Kosten: „Mit gutem Sprechtheater ist die Region hier reich gesegnet“, so Reuter; „wir wollen uns auf die Sparten konzentrieren, die hier hervorragend funktionieren und für die dieses Haus gebaut wurde.“ Dass es auch akustisch hervorragend funktioniert, bescheinigen Reuter auch immer wieder die Künstlerinnen und Künstler: Dass etwa ein Dirigent vom Format eines Edward Gardner – er gastierte im Februar 2023 mit einem fulminanten Konzert in Ludwigsburg – begeistert „von diesem großartigen, großen Konzertsaal“ geschwärmt habe, so Reuter, und wiederkommen wolle, „das ist schon eine schöne Bestätigung.“

Dem tanz- und musikbegeisterte Publikum kredenzt der Künstlerische Leiter in der nächsten Spielzeit im – gemessen an Bühnen- und Saalgröße – drittgrößten Theater nach dem Festspielhaus Baden-Baden und der Staatsoper Stuttgart viel Entdeckenswertes. Und auch etliches, das ganz nah dran an den gesellschaftlichen Themen der Zeit. So greift Mourad Merzoukis Compagnie Käfig aus Frankreich in seiner Choreografie „Zéphyr“ zu Musik des Filmkomponisten Armand Amar auch die Themen Flucht und Suche nach Schutz auf. In der Choreografie „Momo“ von Ohad Naharins israelischer Batsheva Dance Company fließt die Zeit der Pandemie mit ein. Bei Les Ballets de Monte-Carlo wird der Künstlichen Intelligenz nachgespürt. Und bei der „Schwanensee“-Adaption des Georgischen Staatsballetts spielt der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine indirekt eine Rolle: „Diese Compagnie ist mittlerweile Zufluchtsort für Tänzerinnen und Tänzer aus Russland, die dort nicht mehr leben können oder wollen“, sagt Lucas Reuter. So entsetzlich der Hintergrund sei: „Wir bekommen so die Chance, großartige Solisten aus Moskau oder Sankt Petersburg zu erleben.“ Überhaupt hole man Ensembles aus der ganzen Welt auch nach Ludwigsburg, „weil es gerade in einer Zeit, die mit so vielen Umbrüchen beschäftigt ist, wichtig ist, über die Grenzen hinweg zu denken“, sagt Reuter.

Goecke wird getanzt und russische Werke werden nicht vom Spielplan verbannt

Auch durch diesem polyglotten Programmansatz sieht sich das Ludwigsburger Forum als auf der Höhe der Zeit agierend. „Außerdem“, so Reuter, „bestärkt unser Programm den weltoffenen Gestus der Stadt.“ Auch ein Ballett des durch seine Hundekot-Attacke auf eine FAZ-Journalistin in Verruf geratenen Marco Goecke ist im Forum zu sehen: „La Strada“ nach dem gleichnamigen Fellini-Film. „Es ist die letzte Möglichkeit, das Stück in Deutschland zu sehen“, erklärt Reuter. Goeckes Hundekot-Angriff sei zwar inakzeptabel, doch das Gastspiel sei schon lange vorher festgezurrt worden. Zudem sei der künstlerische Wert von Goeckes Choreografien unbestritten. „Und für Künstler ist es unmöglich, sich nach einem Fehltritt eine neue Existenz aufzubauen.“ Das solle man bei aller berechtigten Kritik bedenken. Ebenso wie er „emotional nachvollziehen“ könne, dass ukrainische Künstler keine russischen Werke spielen wollten, er deshalb aber nicht großartige russische Kunstwerke aus dem Spielplan verbannen werde.

Klangvolle Namen finden sich auch in den Sparten Weltmusik, Oper, Konzert oder Jazz: Das Royal Scottish National Orchestra kommt, die Dirigenten Thomas Søndergård oder Pietari Inkinen, der Singer-Songwriter Salvador Sobral, die Klaviergrößen Elena Bashkirova und Seong-Jin Cho, das Bundesjazzorchester und viele mehr. Spannend werden dürfte nicht zuletzt ein Abend, an dem Musik von Kurt Cobain auf diejenige des Barock-Komponisten Henry Purcell trifft.

Die Spielzeit 2023/24

Das Programm
Mit rund 60 Veranstaltungen wartet die neue Spielzeit auf. Informationen gibt es unter www.forum.ludwigsburg.de. Abonnements können von jetzt an gebucht werden, Einzelkarten gibt es ab Dienstag, 1. August.

Die Abos
Neben Abonnements mit festen Terminen wie „TanzForum“, „KonzertForum“ oder „KlassikForum“ gibt es mit dem Wahl-Abonnement auch ein flexibles Modell, bei dem sich das Publikum sein persönliches Abo mit mindestens sechs Veranstaltungen zusammenstellen kann. Für Familien und junges Publikum gibt es ein Familien- und ein Jugend-Abonnement. Junge Menschen können jetzt, im Gegensatz zu früher, günstige Karten im Vorverkauf auch für die vorderen Rängen bekommen.