Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Immer wieder ist Obama im Laufe seiner Karriere das Glück zu Hilfe gekommen – manchmal in allerletzter Minute. Im Herbst 2008 lag Obama in den Umfragen zurück, bevor die damalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin ihre erschreckende Inkompetenz offenbarte und John McCain auf die sich zuspitzende Wirtschaftskrise mit leerem Aktionismus reagierte. Im Herbst 2012 schien es umgekehrt zu laufen: Ein aus den Nominierungsparteitagen als der klare Favorit hervorgegangene Obama zeigte die Arroganz, die selbst manche seiner Freunde für seine größte Schwäche halten. Doch nach einer der schmählichsten Niederlagen, die ein amtierender Präsident je in einer Präsidentschaftsdebatte erlitten hatte, schmolz sein scheinbar solider Vorsprung schockierend schnell dahin. Zwei aggressive Auftritte in der zweiten und dritten Debattenrunde reichten gerade so, um die Lage zu stabilisieren. Halbwegs ordentliche Arbeitslosenzahlen, zuletzt am vergangenen Freitag, verschafften eine Atempause.

 

Und dann kam eine Woche vor der Wahl ein Sturm, der Mitt Romney aus den Schlagzeilen wehte. Nun durfte Barack Obama zeigen, dass er ein Macher ist. Neben dem republikanischen Gouverneur von New Jersey durch die Überflutungsgebiete von New Jersey stiefelnd, fand sich der Präsident in der Rolle wieder, die ihm wohl viel lieber ist, als im Schatten des Kapitols um politische Deals zu feilschen. Im kleinen Kreis von Fachleuten klare und harte Entscheidungen zu fällen, das scheint eine von Obamas Vorlieben zu sein. Den „decider-in-chief“, den „Oberentscheider“ nennt ihn Ex-Präsident Bill Clinton, wenn er dem Parteifreund im Wahlkampf zur Seite springt. Es ist derselbe Obama, der auch seinen Drohnenkrieg gegen mutmaßliche Terroristen mit eiskalter Präzision führt.

In solchen Momenten wird zur Stärke, was sonst seine Sympathiewerte schwächt: Obamas innere Autonomie, die in seiner Herkunft als Außenseiter wurzelt, der immer darauf achten musste, in keine Falle zu tappen. Der Präsident sei gerne allein, schrieb die liberale Kolumnistin Maureen Dowd nach dem Debakel von Denver in der „New York Times“: „Wenn er in seiner Limousine fährt, dann neigt er nicht dazu, lokale Politikgrößen mitzunehmen. Er will nicht spüren, dass er seinen Aufstieg irgendjemand zu danken hat – nicht einem reichen Daddy, keinem Ehepartner oder Vater, der Präsident war, nicht einmal denjenigen, die ihm an entscheidenden Momenten seines Lebens geholfen haben.“

Ihr liberaler Kollege Richard Cohen sprach in der Zeitung „Washington Post“ über seine Melancholie, wenn er die Leidenschaft eines Robert Kennedy mit der stoischen Haltung Obamas vergleiche: „Obama hat sich nie eine Sache zu eigen gemacht, die größer war als sein eigenes politisches Leben.“ Besonders seine Haltung zur Lage der Afroamerikaner sei bezeichnend: „Junge schwarze Männer füllen die Gefängnisse und die Leichenschauhäuser, aber Obama sagt nichts. Bobby Kennedy zeigte seinen Zorn, seine Ungeduld, seine absolute Fassungslosigkeit gegenüber der Lage des schwarzen Amerika. Obama zeigt nichts davon.“

Doch am Ende landeten auch diese Analysen mehr oder weniger zähneknirschend bei der Erkenntnis, dass es zu Obama keine Alternative gebe, wenn man das Land nicht den bei den Republikanern dominierenden rechten Eiferern ausliefern wolle. Obama ist in seinem zweiten Präsidentschaftswahlkampf als berechenbare Größe angetreten. Er argumentiert mit Erfolgsmeldungen, die fast kleinkrämerisch wirken. „Achtzehnmal haben wir die Steuern für kleine Unternehmen gesenkt“, ist so ein Satz, den er in seine Reden einflicht. Seine Aufzählungen, die eher auf die vergangenen vier Jahre blicken als auf die Zukunft, klingen oft wie der Rechenschaftsbericht eines politischen Verwalters. Diese Wahl werden am Ende wohl Zehntelprozente entscheiden. Und so kleinteilig kämpft auch der Präsident.

Obama hat bei Mitt Romney eine neue Krankheit diagnostiziert. Er nennt sie Romnesie. Das etwas gequälte Wortspiel soll an Amnesie erinnern, also Gedächtnisverlust. „Wenn er sagt, dass er für gleiche Löhne für Männer und Frauen ist, aber kein Gesetz unterschreiben würde, das dies möglich macht, dann ist das ein Fall von Romnesie!“, sagt Obama: „Wenn er Romnesie hat und sich nicht einmal an die Dinge erinnert, die auf seiner eigenen Webseite stehen, dann kann ich nur sagen: Das ist heilbar. Meine Gesundheitsreform Obamacare deckt auch das ab.“

Der Präsident hat sich genau ausgesucht, wenn er motivieren will: Minutenlang spricht er nur über die Interessen der Frauen, einer Wählergruppe, die ihm im Gegensatz zu den von seiner Politik enttäuschten Männern seit 2008 die Treue gehalten hat. „Bald dürfen Versicherungsunternehmen für Frauen keine höheren Prämien verlangen als für Männer. So sieht der Wandel aus!“, sagt Obama. „Four more years!“, „Vier Jahre mehr!“, skandieren die Menschen. Und angefeuert von der spürbaren Zuneigung verwandelt sich gegen Ende der Rede der Präsident doch noch in den politischen Prediger, der einst die Massen in Ekstase versetzte. Die Kadenz der Sätze ist unverkennbar. Es ist jener melodische Duktus, mit denen schwarze Pastoren ihre Gemeinde von den Bänken reißen: Langsam steigert sich die Tonhöhe in jedem Nebensatz. Es kommt nicht mehr auf den Inhalt an, sondern auf den Eindruck einer Kaskade an Verheißungen. „Gott segne Amerika“, ruft der Präsident zum Schluss.

Die Menge ist dankbar, dass sie einen Funken des alten Obama erhascht. Viele, die hier stehen, können genau aufzählen, wo ihnen seine Politik geholfen hat. Doch gleichzeitig gibt es eine Sehnsucht nach mehr, die in diesem Wahlkampf selten gestillt wurde. Die Leidenschaft, die Barack Obama etwa in seiner Rede auf dem demokratischen Nominierungsparteitag im September vermissen ließ, kommt keinen Augenblick zu früh. Gerade noch rechtzeitig vor der Wahl spürt der Mann im Weißen Haus endlich etwas Aufwind.

Obama kam das Glück zu Hilfe

Immer wieder ist Obama im Laufe seiner Karriere das Glück zu Hilfe gekommen – manchmal in allerletzter Minute. Im Herbst 2008 lag Obama in den Umfragen zurück, bevor die damalige Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin ihre erschreckende Inkompetenz offenbarte und John McCain auf die sich zuspitzende Wirtschaftskrise mit leerem Aktionismus reagierte. Im Herbst 2012 schien es umgekehrt zu laufen: Ein aus den Nominierungsparteitagen als der klare Favorit hervorgegangene Obama zeigte die Arroganz, die selbst manche seiner Freunde für seine größte Schwäche halten. Doch nach einer der schmählichsten Niederlagen, die ein amtierender Präsident je in einer Präsidentschaftsdebatte erlitten hatte, schmolz sein scheinbar solider Vorsprung schockierend schnell dahin. Zwei aggressive Auftritte in der zweiten und dritten Debattenrunde reichten gerade so, um die Lage zu stabilisieren. Halbwegs ordentliche Arbeitslosenzahlen, zuletzt am vergangenen Freitag, verschafften eine Atempause.

Und dann kam eine Woche vor der Wahl ein Sturm, der Mitt Romney aus den Schlagzeilen wehte. Nun durfte Barack Obama zeigen, dass er ein Macher ist. Neben dem republikanischen Gouverneur von New Jersey durch die Überflutungsgebiete von New Jersey stiefelnd, fand sich der Präsident in der Rolle wieder, die ihm wohl viel lieber ist, als im Schatten des Kapitols um politische Deals zu feilschen. Im kleinen Kreis von Fachleuten klare und harte Entscheidungen zu fällen, das scheint eine von Obamas Vorlieben zu sein. Den „decider-in-chief“, den „Oberentscheider“ nennt ihn Ex-Präsident Bill Clinton, wenn er dem Parteifreund im Wahlkampf zur Seite springt. Es ist derselbe Obama, der auch seinen Drohnenkrieg gegen mutmaßliche Terroristen mit eiskalter Präzision führt.

In solchen Momenten wird zur Stärke, was sonst seine Sympathiewerte schwächt: Obamas innere Autonomie, die in seiner Herkunft als Außenseiter wurzelt, der immer darauf achten musste, in keine Falle zu tappen. Der Präsident sei gerne allein, schrieb die liberale Kolumnistin Maureen Dowd nach dem Debakel von Denver in der „New York Times“: „Wenn er in seiner Limousine fährt, dann neigt er nicht dazu, lokale Politikgrößen mitzunehmen. Er will nicht spüren, dass er seinen Aufstieg irgendjemand zu danken hat – nicht einem reichen Daddy, keinem Ehepartner oder Vater, der Präsident war, nicht einmal denjenigen, die ihm an entscheidenden Momenten seines Lebens geholfen haben.“

Ihr liberaler Kollege Richard Cohen sprach in der Zeitung „Washington Post“ über seine Melancholie, wenn er die Leidenschaft eines Robert Kennedy mit der stoischen Haltung Obamas vergleiche: „Obama hat sich nie eine Sache zu eigen gemacht, die größer war als sein eigenes politisches Leben.“ Besonders seine Haltung zur Lage der Afroamerikaner sei bezeichnend: „Junge schwarze Männer füllen die Gefängnisse und die Leichenschauhäuser, aber Obama sagt nichts. Bobby Kennedy zeigte seinen Zorn, seine Ungeduld, seine absolute Fassungslosigkeit gegenüber der Lage des schwarzen Amerika. Obama zeigt nichts davon.“

Doch am Ende landeten auch diese Analysen mehr oder weniger zähneknirschend bei der Erkenntnis, dass es zu Obama keine Alternative gebe, wenn man das Land nicht den bei den Republikanern dominierenden rechten Eiferern ausliefern wolle. Obama ist in seinem zweiten Präsidentschaftswahlkampf als berechenbare Größe angetreten. Er argumentiert mit Erfolgsmeldungen, die fast kleinkrämerisch wirken. „Achtzehnmal haben wir die Steuern für kleine Unternehmen gesenkt“, ist so ein Satz, den er in seine Reden einflicht. Seine Aufzählungen, die eher auf die vergangenen vier Jahre blicken als auf die Zukunft, klingen oft wie der Rechenschaftsbericht eines politischen Verwalters. Diese Wahl werden am Ende wohl Zehntelprozente entscheiden. Und so kleinteilig kämpft auch der Präsident.

Schritt für Schritt bewegen sich seit einigen Tagen die Umfragen für Obama in die richtige Richtung. Kurz vor der Ziellinie hat er aufgeholt. Ob es reicht, ist offen. Das ist ein bezeichnender Abschluss für diesen Wahlkampf, der lange als Kampf der unterschiedlichen Visionen für Amerika inszeniert wurde, aber diesem Anspruch oft nicht gerecht wurde. Für Barack Obama endet er in dem schlichten Appell: Wählt mich – ich bin wenigstens nicht Mitt Romney.