Die Fotografien sind beeindruckend – 18 Bilder des legendären Fotografen Hannes Kilian, die das zerbombte Stuttgart der Nachkriegszeit zeigen. Zu sehen sind die Fotos derzeit bei Haus & Grund in Stuttgart.

Stuttgart - Trauernd schaut der Jünger auf den gekreuzigten Jesus. Der Blick scheint für die Zeichen der Zeit zu stehen, in der die Aufnahme entstand: 1944 lichtete Hannes Kilian die Kreuzigungsgruppe des spätmittelalterlichen Steinbildhauers Hans Seyfers „An der Leonhardskirche“ ab, wie sie sich aus Schutt vor ausgebombten Ruinen emporreckte. Das Dokument des zerstörten Stuttgarts ist nun in der Geschäftsstelle von Haus & Grund in der Landeshauptstadt zu sehen: In der Schau „Zerstörung und Wiederaufbau Stuttgarts“ werden 18 Fotografien des legendären Fotografen Hannes Kilian der Jahre 1944 bis 1949 präsentiert, auch dank Ulrich Wecker. „Unser Geschäftsführer ist schon lange Fan von Kilian“, so Klaus Lang, Vorsitzender von Haus & Grund. „Es ist die erste Ausstellung in unseren Räumen. Warum? Es waren die privaten Haus- und Grundbesitzer, die einen großen Anteil am Wiederaufbau Stuttgarts hatten.“ Auch heute wieder seien sie es, die Lösungen zur Wohnungsnot beizutragen versuchten.

 

Die Fotos erzählen Geschichten

Wie groß diese nach dem Zweiten Weltkrieg war, lässt sich anhand Kilians Aufnahmen leidlich erahnen. Roland Müller, Leiter des Stadtarchivs Stuttgart, nannte in seinem Vortrag über „Luftkrieg und Nachkriegsalltag in Stuttgart“ Zahlen: „120 000 Haushalte standen nur 70 000 bewohnbaren Bleiben gegenüber.“ Am schlimmsten sei der Luftangriff vom 12. September 1944 gewesen, insgesamt forderten die über 50 Bombenabwürfe bis zum 19. April 1945 rund 4580 Tote.

Aber Kilian dokumentierte mit seiner Kamera nicht nur Trümmerberge. Er erzählt auch Geschichten von Bombennächten in Bunkern und vom Willen weiterzumachen. Da trapsen die Kleinsten mit ihren Betreuerinnen 1948 die Treppen der Hölderlinstraße hinab, während die etwas älteren Kinder Mauerreste als Spielplätze nutzen. Die Straßenbahn ist mit Sparfenstern bestückt, eine Trümmerfrau schlägt lachend auf einem Geröllhaufen Steine.

Fotografieren der Trümmer war verboten

Dass es diese Fotos noch gibt, ist Kilian zu verdanken. „Er vergrub Kamera und Filme am Ufer des Bodensees – denn Fotografieren in den Trümmern war verboten“, so seine Witwe, Gundel Kilian. Zweimal sei er verhaftet und in die Gestapo-Zentrale Hotel Silber gebracht, dank seines Kriegsausweises aber wieder freigelassen worden: Er war als Kriegsberichterstatter eingezogen und vor Leningrad verwundet worden.

„Zerstörung und Wiederaufbau Stuttgarts“ bis 30. September, Haus & Grund, Gerokstraße 3, Montag 8 bis 19 Uhr, Dienstag bis Donnerstag 8 bis 17 Uhr, Freitag 8 bis 13 Uhr.