Franka Potente tritt am Sonntag als Sex-Händlerin Beate Uhse im Fernsehen auf. Deren Pragmatismus habe ihr imponiert, sagt sie im Interview.

Stuttgart - Franka Potente hat eine Zeit lang als Fräuleinwunder des deutschen Films gegolten. Vom Oscar geträumt hat die Schauspielerin aber nie. Und darauf hinarbeiten könne man nicht.

 

Frau Potente, wenn Sie Frauen wie Beate Uhse verkörpern: Gibt es da so etwas wie die Furcht, nicht zu genügen?

Das Gefühl stellt sich zwischendurch immer wieder mal ein, gerade bei historischen Figuren, von denen es Fotos oder Filmaufnahmen gibt. Aber der Sender und die Produzenten waren offenbar überzeugt, dass ich die Richtige für die Rolle bin, sonst hätten sie sie mir ja nicht angeboten. Also brauche ich mir auch nicht den Kopf zu zerbrechen.

Wie eignet man sich die Rolle einer historischen Persönlichkeit an?

Ich habe mit dem Namen Beate Uhse natürlich bestimmte Fakten verbunden, aber erst im Verlauf meiner Recherchen festgestellt, was für ein toller, faszinierender Mensch sie war. Und dann habe ich nach einem Punkt gesucht, an dem man andocken kann.

Wie muss man sich das vorstellen?

Vieles läuft bei so einem Prozess unbewusst ab, deshalb kann ich das nicht genau beschreiben. Ich versuche generell, mich meinen Figuren so unvoreingenommen wie möglich zu nähern.

Wie ist dieser Prozess bei Beate Uhse abgelaufen?

Ich habe erst mal alles gelesen, was über sie geschrieben worden ist. Leider gibt es kaum Interviews mit ihr. Aber wenn man sich diese Aufnahmen anschaut und ihr zuhört, wie sie über sich und ihre Arbeit spricht, wenn man ihre Gesten, ihr ganzes Auftreten beobachtet, dann entsteht der Eindruck einer Frau, die sehr pragmatisch wirkt, sehr bodenständig. Man käme nie auf die Idee, dass sie ein Unternehmen für Sexspielzeug aufgebaut hat.

An welchem Punkt haben sie angedockt?

Der Pragmatismus hat mich sehr angesprochen. Und diese beiden völlig verschiedenen Seiten: hier das Geschäft mit dem Sex, dort eine Frau, die sich am liebsten in ihrem Garten aufgehalten hat.

Hat Sie dieser Kontrast nicht irritiert: beruflich die Sexpionierin, nach Feierabend das Spießeridyll mit Haus, Garten und Familie?

Nein, überhaupt nicht. Ich kenne solche Kontraste von vielen Schauspielerkollegen, die als lustig bekannt sind und ganz düstere Seiten haben; Stephen Fry zum Beispiel oder Jim Carrey.

Und wie lässt sich dieser Gegensatz bei Beate Uhse vereinbaren?

Sie hatte Geschäftssinn. Ich glaube ja, dass sich die Sache mit dem Sex eher zufällig ergeben hat. Sie war einfach ein mütterlicher Typ, wollte den Frauen helfen und hat deshalb die Aufklärungsbroschüre „Schrift X“ geschrieben. So kam eins zum anderen.

"Lola rennt" war der Glückstreiber

Hätte Beate Uhse der Film gefallen?

So, wie ich sie einschätze, wäre ihr das alles eher unangenehm gewesen. Das ist auch eine Haltung, die uns verbunden hätte.

Ihr Ruhm ist Ihnen unangenehm? Ist mit der Schauspielerei denn kein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen?

Ich bin im westfälischen Dülmen aufgewachsen, da gab es nicht mal ein Kino. Mein Traum war es, an einem kleinen Theater zu arbeiten. Ich habe mir nie ausgemalt, wie es wäre, einen Oscar zu bekommen, so weit ging mein Horizont gar nicht.

Sie würden den Oscar trotzdem annehmen?

Klar, das würde jeder. Aber der Oscar, die Goldene Palme in Cannes oder ein Preis in Venedig: Das sind in meinen Augen positive Unfälle, die einem im Verlauf der Karriere passieren, wenn man Glück hat. Darauf hinarbeiten kann man nicht.

Was war der Glückstreiber Ihrer Karriere?

„Lola rennt“. Der Film war in den USA ein Erfolg, das war mein Ticket nach Amerika.

Ohne „Lola rennt“ hätte es keine Angebote aus Hollywood gegeben?

Bestimmt nicht. Die Amerikaner nehmen dich nur in den Club auf, wenn du einen Erfolg vorzuweisen hast. Wenn nicht, interessiert sich niemand für dich. Aber dann hätte ich weiter meine Filme in Deutschland gemacht, das wäre auch okay gewesen.

Ihre Rollen in den „Bourne"-Filmen oder in TV-Serien wie „The Shield“ oder „Dr. House“ haben hierzulande für Aufsehen gesorgt. Ist das schon eine Hollywood-Karriere?

Die Frage ist: Wie definiert man Karriere? Ich verbinde mit dem Begriff Kalkül und Planung, aber für mich ist das alles einfach nur meine Arbeit, und die sehe ich eher wie ein großes Büfet, das unterschiedlichste Angebote bereithält, Süßes wie Herzhaftes.

Und Sie stehen davor und suchen sich aus, worauf Sie Appetit haben?

Genau. Aber wenn man seine Karriere plant, wählt man eben nicht nach Lust und Laune aus, sondern überlegt, was einen weiterbringt, und daran verschwende ich eigentlich keinen Gedanken.

Franka Potente international

Deutschland: Franka Potente (37) ist eine der wenigen jüngeren deutschen Schauspielerinnen, die regelmäßig in Hollywood-Produktionen zu sehen ist. Bekannt wurde die Westfälin gleich durch ihre erste Hauptrolle in der Komödie "Nach Fünf im Urwald" (1995). Drei Jahre später machte Tom Tykwers weltweit erfolgreiches Techno-Drama "Lola rennt" sie zum Star. Mit Tykwer war Potente auch zeitweise liiert.

USA: Franka Potente spielte in US-Serien wie "The Shield" und "Dr. House" sowie in den Kinofilmen "Anatomie", "Blow", "Die Bourne Identität" und "Hetzjagd". Am Sonntag ist sie als Hauptdarstellerin in dem ZDF-Film "Beate Uhse - Das Recht auf Liebe" zu sehen.

Franka Potente ist am Sonntag, 20.15 Uhr im ZDF als Beate Uhse zu sehen.