Frankreich ächzt unter einer erschreckend hohen Arbeitslosigkeit. Nun will Präsident François Hollande auf einen Schlag Hundertausende Jobs schaffen – und nebenbei den eigenen retten.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Fast überall in Europa sinkt die Arbeitslosigkeit; nur in Frankreich steigt sie weiter auf neuerdings 3,6 Millionen „chômeurs“. Hollande hatte deshalb schon in seiner Neujahrsansprache den „wirtschaftlichen und sozialen Notstand“ ausgerufen. Diesen Bezug auf die Ausnahmegesetze zur Terrorbekämpfung hat der französische Staatschef am Montag präzisiert.

 

Sein neuster Beschäftigungsplan besteht aus drei Hauptmaßnahmen: Erstens sollen 500 000 zusätzliche Arbeitslose in den Genuss einer Aus- oder Weiterbildung kommen. Heute sind es gut 600 000. Zweitens sollen Klein- und Mittelbetriebe je 2000 Euro für die Einstellung eines Arbeitslosen erhalten. Drittens soll die Berufsausbildung mit neuen Anreizen zu Gunsten der Privatwirtschaft attraktiver werden.

Der Grundtenor der Reaktionen in den Pariser Medien lautet, die angestrebte Senkung der Arbeitslosigkeit erfolge großenteils auf künstliche Weise. Ein „chômeur“, der eine Ausbildung antritt, fällt im Arbeitsamt automatisch aus der Kategorie A in die Kategorie D – und gilt damit nicht mehr als Arbeit suchend. So würden der Arbeitslosenstatistik eine halbe Millionen Menschen entzogen.

Arbeitsmarktexperten zeigen sich skeptisch

Das wäre eine politische Entlastung für Hollande. Seine Unpopularität – an der sein entschlossenes Auftreten nach den Pariser Terroranschlägen langfristig nichts geändert hat – liegt vor allem in der Arbeitslosigkeit begründet. Seit Hollandes Amtsantritt im Mai 2012 ist sie um 650 000 Erwerbstätige gestiegen – obwohl der 61-jährige Sozialist immer wieder eine Senkung versprochen hat. Für 2016 erwarten Ökonomen eine leichte Besserung, aber nur wegen äußerer Faktoren wie dem Ölpreis, der Euroschwäche und tiefen Zinsen.

Mit seinem neuen Plan will Hollande nun den Umschwung in Frankreich gleichsam erzwingen. Arbeitsmarktexperten bleiben aber skeptisch. „500 000 Ausbildungsplätze wären fast 80 Prozent mehr als heute, das lässt sich nicht einfach aus dem Boden stampfen“, meint Bertrand Martinot, ein ehemaliger Regierungsdelegierter für Berufsbildung.

Kritik gibt es auch an der Einstellungsprämie. Laurent Berger von der Gewerkschaft CFDT befürchtet einen Mitnahmeeffekt in Firmen, die ohnehin Leute einstellen wollten. „Man begießt den Sand, und das überdies mit einer sehr teuren Maßnahme“, meinte der Vorsteher der sonst eher regierungsnahen Gewerkschaft. Hollande meinte zwar, die auf über zwei Milliarden Euro geschätzten Kosten des Plans würden durch Einsparungen finanziert – welche, sagte er aber nicht.

Hollande bangt um seine politische Zukunft

Vertreter von kleinen und mittelständischen Unternehmen rügten, es wäre besser, die in Frankreich traditionell hohen Abgaben auf tiefe Saläre zu senken. Das würde allerdings eine Parlamentsdebatte erfordern und die Inkraftsetzung verzögern, zumal der linke Flügel der Sozialistischen Partei Einwände gegen die „Geschenke an die Unternehmen“ anmeldet. Einmal mehr rächt sich, dass Hollande seit seiner Wahl zu viel Zeit verstreichen ließ, um tiefgreifende, aber entsprechend langsam wirkende Strukturmaßnahmen anzupacken.

Deshalb verfällt der Präsident nun auf die Idee von Jobprämien, die er per Regierungsdekret im Alleingang beschließen kann. Sein ganzer „Notstandsplan“ zielt darauf ab, so schnell wie möglich sichtbare Resultate zu erzielen. Nur so kann er noch hoffen, in sechzehn Monaten zur Wiederwahl antreten zu können. Im vergangenen Jahr hatte er angesichts drängender Journalistenfragen eher unvorsichtigerweise erklärt, er werde nur dann nochmals kandidieren, wenn die Arbeitslosigkeit „während des ganzen Jahres 2016“ gesunken sei. Damit verknüpfte er sein persönliches Schicksal selbst mit dem Fortkommen seines Landes. Und das verheißt derzeit weder für Hollande noch für Frankreich viel Gutes.