Die französische Alpenstadt Grenoble will Burkinis zulassen. Die Opposition spricht von „Unterwerfung unter den Islamismus“.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Der Stadtrat von Grenoble hat ein neues Reglement für die kommunalen Schwimmbäder genehmigt, das im Kern den Burkini zulässt. Der aus „Burka“ und „Bikini“ gebildete Begriff umschreibt einen Ganzkörperanzug, den eine Libanesin vor zwanzig Jahren in Australien kreiert hatte, um Muslima das Baden mit bedeckter Haut zu erlauben.

 

Die Abstimmung fiel am Montagabend knapp aus: 29 Stimmen der rot-grünen Mehrheit standen 27 Gegenstimmen der konservativen Opposition gegenüber. In Frankreich bewirkt das Badkleid moslemischer Frauen seit langem eine polemische Debatte, ähnlich dem Kulturkampf von 2005 um das islamische Kopftuch oder 2011 um das Burkaverbot. Linke und rechte Laizisten wollen den Burkini als „religiös motiviertes Zeichen“ aus dem öffentlichen Raum verbannen; islamische und linke Aktivisten pochen auf die Bekleidungsfreiheit und Frauenrechte.

Jetzt schreitet Grenoble zur Tat. Der grüne Stadtpräsident Eric Piolle erklärte am Montag, nur hygienische Gründe könnten das Baden einschränken. Über allem stehe die Freiheit: „Wer im Burkini baden will, ist bei uns ebenso willkommen wie ‚oben ohne‘.“ Topless baden wird damit in Grenoble von diesem Sommer an auch erlaubt sein.

Widerspruch zum Laizismus?

Die in der Abstimmung unterlegene Opposition warf dem Bürgermeister vor, er stehe unter dem Einfluss des militanten Vereins „Alliance Citoyenne“, der den Burkini seit Jahren durchzusetzen versuche. Der konservative Vorsteher des Großraumes Auvergne-Rhône-Alpes, Laurent Wauquiez, will nun Grenoble sämtliche regionalen Subventionen streichen. „Kein Centime darf die Unterwerfung unter den Islamismus finanzieren“, twitterte er.

Der zuständige Präfekt kündigte an, er werde den Burkini-Entscheid von Grenoble vor die Gerichte ziehen, denn: „Solche religiösen Zielsetzungen scheinen dem Prinzip des Laizismus zu widersprechen.“ Die heutige Rechtslage ist nicht klar. 2016 hatten einige Gemeinden an der Côte d’Azur den Burkini zwar untersagt; der Staatsrat hob diese Verbote aber mit Verweis auf die Freiheit an Stränden auf. In den stärker geregelten öffentlichen Schwimmbädern liegt der Fall womöglich anders.

Die Bretonen entscheiden es lautlos

Um solche Nuancen geht es aber in dem Streit nur am Rande. Piolle wirft der „islamfeindlichen“ Rechten vor, sie versuche einzelne Bürgerinnen zu „diskriminieren“.

Der Radiosender RTL fragte dagegen, warum Piolle mitten im Wahlkampf ein umstrittenes Schwimmreglement einführe. Der gerne provokante Stadtvorsteher verteidigte sich, dass andere Städte wie die bretonische Metropole Rennes den Burkini auch zugelassen hätten, ohne viel Echo zu bewirken. In Grenoble versuche die laizistische und harte Rechte jedoch explizit die rot-grüne Regierung zu destabilisieren.

Das tut Piolle aber auch selber. Er weiß, dass viele Sozialisten, denen die in Frankreich gültige Trennung von Kirche und Staat sakrosankt ist, den Burkini strikt ablehnen. Das neue Schwimmreglement bedroht damit die „Volksunion“, auf die sich linke und grüne Parteien erst vor zwei Wochen mühsam geeinigt hatten.

Die Burkini-Affäre betrifft zwar nur sehr wenige Frauen. Aber vielen Franzosen geht es ums Prinzip. Die zu Grunde liegende Frage des Laizismus hat in Frankreich eine gewaltige politische Sprengkraft.

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