Die Pension für obdachlose Frauen wird an diesem Freitag nach der langen Sanierung wiedereröffnet. 50 Frauen finden dort eine Zuflucht. Doch an die Hausordnung müssen sich alle halten: Kein Besuch nach 22 Uhr, keine Gewalt, keine Drogen.

Bad Cannstatt - Der Gemeinschaftsraum mit Küche im Untergeschoss, das war vor gut drei Wochen der einzige Raum, der einigermaßen fertig war. Kein Schrank montiert in den kleinen Zimmern, die Miniküche mal da, mal dort gelagert. Nicht mal die Rahmen für die Türen waren überall eingemauert. Inzwischen aber scheinen hier Heinzelmännchen zugange gewesen zu sein – und der Wiedereröffnung der Frauenpension steht nichts mehr im Wege.

 

Besonders freut sich darüber Maria Nestele, die Leiterin des Hauses und des Fachdienstes Hilfe für Frauen beim Caritasverband Stuttgart: „Ja, das ist ein schönes Gefühl. Das Haus hat jetzt wieder eine gewisse Wertigkeit, was ja auch Wertschätzung für die Bewohnerinnen ausdrückt. Ich hoffe, dass sich die Frauen trotz der weiterhin beengten Verhältnisse hier einigermaßen wohlfühlen werden.“

50 Plätze für obdachlose Frauen bietet das „Haus an den Gleisen“, wie einige die Unterkunft in dem gleichnamigen, beeindruckenden filmischen Selbstporträt von 2014 nennen. 50 Zimmer zwischen neun und 20 Quadratmetern groß, Duschen und Toiletten auf dem Flur, die Zimmer nun aber mit einer Mini-Küche mit zwei Herdplatten ausgestattet: „Das ist sicher kein Luxus, sondern schlicht und zweckmäßig. Wo sowieso Armut herrscht, darf es aber nicht ärmlich aussehen, denn das öffnet der Verwahrlosung Tür und Tor“, sagt Nestele.

Der Bedarf an solchen Einrichtungen ist riesig

Die Kosten für die Sanierung in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro teilen sich Stadt, Land und Caritas. Nestele weiß, dass das gut angelegtes Geld ist. „Als die Frauenpension 1994 eröffnet wurde, war das Hilfesystem für Frauen noch wenig ausgebaut. Dieses Haus war eine Pioniertat. Die Einrichtung hat auch signalisiert: Ihr habt ein Anrecht drauf!“ betont Nestele.

Denn Obdachlosigkeit von Frauen sei „ein verdecktes Phänomen“. Im Gegensatz zu Männern seien Frauen selten offen obdachlos: „Sie schlüpfen lieber irgendwo unter. Auch in betrüblichen Verhältnissen, die sie noch desolater machen.“ Eines sei klar: „In der Frauenpension anzukommen, das heißt für die allermeisten, am kläglichsten Punkt des eigenen Lebens angekommen zu sein: sehr arm und wohnungslos. Und dies oft nach langen Stationen der Verelendung und des sozialen Abstiegs“, sagt Nestele. Im Haus an den Gleisen könnten die Frauen dann „zur Ruhe kommen und sich orientieren. Viele bemühen sich, helfen beim Waschen und im Kiosk. Aber manchmal ist es auch ein Erfolg, wenn jemand sich einlebt und stabilisiert“. Niederschwellig seien die Aufnahmebedingungen: keine Bewerbung, nur ein Aufnahmegespräch und die Akzeptanz der Hausordnung: „Kein Besuch nach 22 Uhr, keine Gewalt, keine Drogen.“

Der Bedarf ist groß, trotz der inzwischen hinzugekommenen Einrichtung in der Kegelenstraße mit 24 Plätzen. „Wir haben eine lange Warteliste“, berichtet Nestele. Der Hintergrund: „Der Wohnungsmarkt für die Armutsbevölkerung ist zusammengebrochen.“ Gleichwohl bleibt die Frauenpension „eine vorübergehende Wohnform, bis eine geeignete Alternative gefunden ist“, erklärt Nestele.

Vor zehn, 15 Jahren habe der Wechsel im Jahr noch rund 100 Personen betragen, heute seien es „kaum 30“. Die Regel in der Frauenpension sei heute: „Wenn jemand kommt, ist er lange da.“