"Green City" Freiburg verliert einen für die Forschung wichtigen Fichtenwald. Anstelle der Bäume sollen dort demnächst Häuser stehen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Wo gebaut wird, fallen Bäume. Zumindest manchmal lässt es sich nicht vermeiden. In einer im doppelten Sinne "grünen" Stadt wie Freiburg sollte man annehmen können, dass kein Baum unnötig der Säge zum Opfer fällt. Der Forstwissenschaftler Johann Goldammer hat daran jedoch seine Zweifel. Er leitet in Freiburg die weltweit einzigartige Arbeitsgruppe "Feuerökologie" im Max-Planck-Institut. Doch nebenbei und ehrenamtlich hat sich der Waldbrandexperte im Stadtteil, in dem er wohnt, auch um ein kleines Waldstück gekümmert.

 

Vor fast 50 Jahren wurden am Ortsausgang in Richtung des Hausbergs Schauinsland unter der Regie des inzwischen verstorbenen Ordinarius für Waldbau, Helmut Schmidt-Vogt, Fichten aus aller Welt angepflanzt und ihr Wachstum sorgfältig für Forschungszwecke dokumentiert. Das Wäldchen mit 38 Fichten ist damit eine sogenannte Provenienz-Anlage (Herkunft), die Forschern Erkenntnisse über das Verhalten von Baumarten bei sich verändernden Bedingungen ermöglicht. Ein biologischer Langzeitversuch, mit Blick auf den Klimawandel von hohem Wert.

Doch gestern sind die Fichten abgeholzt worden, im nächsten Jahr wird das vom Freiburger Gemeinderat zum Baugebiet erklärte Areal mit 40 bis 50 zweistöckigen Häusern bebaut. Der Einspruch, den Professor Goldammer als letzter Treuhänder an den Gemeinderat gerichtet hat, ist bereits Ende Mai vom Tisch gefegt worden und weder die Universität, die das Gelände jahrzehntelang gepachtet hatte, noch die Forstwissenschaftliche Fakultät der Universität haben offenbar eindrücklich genug darauf hingewiesen, dass es keine gute Idee ist, auch wenn dafür 70 Buchen als Ausgleich irgendwo anders gepflanzt würden.

Wohnraum ist für die Stadt wichtiger

Für die Stadtverwaltung ist die Sache klar und sie hat dem Gemeinderat die Bebauung im Grünen anscheinend plausibel gemacht: "In der Abwägung zwischen dem Bedarf an dringend benötigtem Wohnbauland und dem wissenschaftliche Interesse überwiegt daher die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum" schrieb das Stadtplanungsamt in eine Vorlage, die der Gemeinderat ohne Widerspruch akzeptierte. Die "wissenschaftliche Wertigkeit" des Provenienzversuches sei kein Prüfungsgegenstand gewesen, die Fläche sei seit Jahren nicht mehr systematisch genutzt worden und damit kein besonderes Kulturgut.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte ergeben, "dass die verschiedenen Fichtenarten nicht dringend erhaltungswürdig sind", sagte ein Rathaussprecher gegenüber der StZ. Das sehen die Forstwissenschaftler und Förster zwar anders, aber was sie sagen, spielte anscheinend keine Rolle. "Von der Stadt Freiburg hat niemand bezüglich des Pflanzenbestandes bzw. der Bebauung des Versuchsgeländes Günterstal mit mir Kontakt aufgenommen", sagt der pensionierte Günterstaler Revierförster Nimsch mit dem schönen und passenden Vornamen Hubertus. Er ist Vorsitzender des Arboretumsvereins, der sich um die exotische Baumsammlung im Günterstaler Wald kümmert. Auch aus dem Arboretum wurden für die Bebauung rund 20 Bäume abgeholzt. Weil es Exoten sind, seien sie nicht so wichtig, lautet das Argument der Stadtplaner.

Der "Fichtenpapst" steht nun mit leeren Händen da

Jetzt haben die Sägen ganze Arbeit geleistet. Johannes Goldammer, der das Wäldchen aus Respekt vor der wissenschaftlichen Leistung des "Fichtenpapstes"' betreut hatte, steht fassungslos vor den Resten. Gegen die Bebauung selbst ist er nie gewesen, er ärgert sich aber über die nassforsche Art, mit der ein wissenschaftlicher Versuch plattgemacht wurde, der noch wichtige Aufschlüsse über Einflüsse des Klimawandels auf den Wald hätte liefern können.

"Die Stadt hat jegliches inhaltliche Gespräch in dieser Sache abgelehnt, es fanden nur formaljuristische Gespräche über die Rückgabe des Geländes statt", sagt Goldammer bitter. "Man hätte wenigstens das genetische Material retten müssen, von Zweigen aus den oberen Kronenbereichen, die man auf andere Bäume aufpfropft", erklärt Förster Nimsch. Noch nicht einmal die für Wissenschaftler ebenfalls aufschlussreichen Informationen in den Jahresringen können jetzt noch durch Abnahme von Baumscheiben gesichert werden, weil alles wie Kraut und Rüben durcheinander liegt. Der langjährige Versuch ist also umsonst gewesen.