Die Freie Kunstschule feiert in diesem Jahr die Wiederaufnahme des Lehrbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg vor 70 Jahren. Der Allgemeinheit schenkt sie aus diesem Grund ein neues Kursprogramm mit Angeboten von Kunstgeschichte bis Aktzeichnen.

Bad Cannstatt - Am 1. Februar beginnt das neue Semester an der Freien Kunstschule. Es ist für die Akademie für Kunst und Design in Bad Cannstatt zugleich der Start in einen Jubiläumsreigen: 2016 gedenkt sie der Wiederaufnahme des Lehrbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg vor 70 Jahren, 2017 wird das 90-jährige Jubiläum ihrer Gründung durch Adolf Hölzel und August Ludwig Schmitt gefeiert und schließlich 2018 das 70-jährige Bestehen des Trägervereins.

 

Kein großer Festakt bildet den Auftakt, sondern ein neues Programm: „Als öffentlich geförderte Einrichtung wollen wir der Allgemeinheit mit unserem Kursprogramm etwas zurückgeben“, sagt der Rektor Martin Handschuh, der die Freie Kunstschule Stuttgart seit vier Jahren leitet. Plastisches Gestalten, Kunstgeschichte, die Gestaltung von Osterkarten und Grundlagen für das Arbeiten mit Photoshop sind nur ein kleiner Teil der Abend- und Wochenendkurse, zu denen sich jeder Interessierte anmelden kann. Noch bis zum 5. März gibt es sogar die Möglichkeit, bis zu fünf Kurstage im Aktzeichnen kostenlos zu besuchen.

Kunst kennt kein Alter

Kunstinteressierte aller Altersklassen, die berufsbegleitend lernen wollen, sind aber auch in Kursen des regulären Studienprogramms, das mit staatlich anerkannten Diplomen in Freier Malerei, Illustration und Freier Grafik abgeschlossen wird, willkommen.

Der Rektor Martin Handschuh mit einem Kassenbuch aus dem Jahr 1947. Foto: Annina Baur
„Kunst kennt kein Alter, also haben wir keine Altersbeschränkung“, sagt Handschuh. Für die Arbeit kann es seiner Erfahrung nach sehr befruchtend sein, wenn jugendlicher Elan und Weisheit aufeinander treffen. Gut 60 Studenten studieren derzeit in Bad Cannstatt einen Diplomstudiengang, die meisten seien aber junge Menschen, sagt Handschuh. Für diejenigen, die sich künstlerisch weiterentwickeln wollen, aber keinen berufsqualifizierenden Abschluss anstreben, biete man nämlich „Reife Semester“ an. „Für diese Studierenden stellen wir eine individuelle Auswahl aus dem Kursprogramm zusammen“, erklärt Handschuh. Begleitung und Anleitung durch die 17 Dozenten gehörten ebenso dazu, Prüfungen fielen aber weg.

Allen Kursen liege dabei die Maxime vom Primat der künstlerischen Mittel des Schulgründers Adolf Hölzel zugrunde: „Das bedeutet, dass die Studenten nicht durch blindes Nachahmen an die Kunst herangeführt werden sollen, sondern auch durch theoretische Bildung ihren Blick für das schulen, was das Anliegen der bildenden Künste ist und mit welchen Mitteln dies erreicht werden kann“, sagt Handschuh. Hölzel sei seiner Zeit weit voraus gewesen, als er im Jahr 1927 mit seinem Schüler August Ludwig Schmitt im Bestreben, etwas anzubieten, das es so bis dato nicht gab, die erste Freie Kunstschule Deutschlands gründete.

Im Stadtbezirk verwurzelt

Zwar wurde der Lehrbetrieb nur wenige Jahre später, 1934, eingestellt, um sich nicht der Kunstdoktrin des Dritten Reiches beugen zu müssen, jedoch bereits 1946 von einer Gruppe verfemter Künstler um Fritz Dähn, Hans Fähnle, Anton Kaper, Heinrich Kübler und Helmut Muehle wieder etabliert. Seit den Anfängen an der Friedensstraße ist die Freie Kunstschule rund ein Dutzend Mal umgezogen, seit Ende der 70er Jahre jedoch auf dem Hallschlag ansässig. Obwohl die Studenten aus der ganzen Welt kommen, fühlt man sich mit dem Stadtbezirk verbunden: „Um den Cannstattern unsere Kunst zu zeigen, beteiligen wir uns regelmäßig am Schaufenster Kultur“, sagt Handschuh. Nicht zuletzt haben seine Studenten auch ein Gestaltungskonzept für den unweit der Schule gelegenen Travertinpark entwickelt.