Das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada soll Ende September unterzeichnet werden. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Punkte.

Ottawa - Auf einem EU-Kanada-Gipfel am 26. September soll in der kanadischen Hauptstadt Ottawa der europäisch-kanadische Freihandelsvertrag Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) unterzeichnet werden. Fünf Jahre lang wurde verhandelt. Die Öffentlichkeit wurde weitgehend ausgeschlossen, Forderungen nach frühzeitiger Offenlegung wurden zurückgewiesen. Erst jetzt ist der Text des Vertrages bekannt geworden, der die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada auf eine neue Grundlage stellen soll.   Am 5. August hatten sich die Verhandlungsdelegationen auf den Freihandelsvertrag, der von Agrarexporten, Pharmaprodukten und Patentschutz bis hin zu Finanzdienstleistungen und Investorenschutz geht, geeinigt. Als „consolidated text“ wurde er den EU-Mitgliedstaaten zur Kenntnisnahme, aber nur zur internen Verwendung, übermittelt. Das von der ARD-„Tagesschau“ veröffentlichte Dokument hat 521 Seiten. Kanadische Quellen hatten zuvor den Vertragsumfang – offenbar mit allen Anhängen – mit rund 1500 Seiten angegeben.  

 

Kanadas Handelsminister Ed Fast spricht von einem historischen Abkommen, das Arbeitsplätze und wirtschaftliche Möglichkeiten schaffen werde. Europa verspricht sich durch die weitere Liberalisierung des Handels einen Schub in den Wirtschaftsbeziehungen. Da der Handel mit Kanada für die EU eher eine geringere Bedeutung hatte, wurde Ceta während der Verhandlungen in Europa nie zu einem Topthema. Geändert hat sich der Grad an Aufmerksamkeit erst durch die Handelsgespräche mit den USA, die zur Transatlantik Trade and Investment Partnership (TTIP) führen sollen. Denn Ceta gilt als „Blaupause“ für TTIP. Die TTIP-Verhandlungen werden in der EU von Befürwortern und Kritikern genauer verfolgt als bei Ceta. Ceta könnte aber durch die Verschlechterung der Handelsbeziehungen zwischen der EU und Russland an Gewicht gewinnen, weil es für Europa Märkte öffnet.  

Zuletzt spielte in der öffentlichen Diskussion der in Ceta vorgesehene Investorenschutz und Streitschlichtungsmechanismus außerhalb der gängigen Gerichtsbarkeit eine wichtige Rolle. Investitionsschutzregelungen und Investor-Staat-Schiedsstellen geben Konzernen Klagemöglichkeiten gegen einen Staat, wenn sie ihre Gewinnaussichten von Investitionen durch Gesetzesänderungen eingeschränkt sehen. Die deutsche Bundesregierung hält zwar sowohl bei Ceta als auch TTIP Investitionsschutzabkommen zwischen Staaten mit entwickeltem Rechtssystem nicht für erforderlich, will aber ausgehandelte Investitionsschutzregelungen hinnehmen.  

Noch unklar, wie das Verfahren abläuft

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel will nun den Ceta-Text prüfen. Erwartet wird, dass es zwei Jahre dauern könnte, bis der Vertrag nach seiner Übersetzung in die EU-Amtssprachen die Ratifizierung durchlaufen hat. Bislang ist noch nicht einmal klar, wie das Verfahren abläuft und ob neben den EU-Gremien auch alle Einzelstaaten zustimmen müssen.   Der Ceta-kritische kanadische Council of Canadians glaubt, dass der Vertrag die Überprüfung durch die Öffentlichkeit nicht überstehen werde. Neben dem Investorenschutz nennt der Council mögliche Einschränkungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe durch Kommunen und Teuerungen im kanadischen Gesundheitswesen durch stärkeren Patentschutz für Pharmaprodukte als potenzielle Nachteile. Über Jahre hinweg seien die „verheerenden Auswirkungen“ vor Gesetzgebern und Öffentlichkeit durch einen „undemokratischen Verhandlungsprozess“ versteckt worden.

Kanada erhält durch Ceta verbesserten Zugang zu einem Markt mit 28 Ländern und rund 500 Millionen Menschen, während Kanada gerade einmal 35 Millionen Einwohner hat. Für die EU rangiert Kanada mit einem bilateralen Handel von knapp 60 Milliarden Euro oder 1,7 Prozent des EU-Außenhandels erst an zwölfter Stelle der Handelspartner, während die EU für Kanada mit 9,5 Prozent an zweiter Stelle nach den USA steht.

Die wichtigsten Details zu Ceta im Überblick

Zölle Mit Ceta werden die Zollbarrieren zwischen den beiden Partnern weitgehend abgeschafft. Beide Seite werden nach Angaben der EU alle industriellen Zöllen abbauen und „fast alle“ Zölle für landwirtschaftliche Produkte.

Landwirtschaft Käse und Fleisch waren bis zuletzt heftig umstrittene Verhandlungspunkte. Die Kanadier wollten ihre Milchwirtschaft schützen, die Europäische Union ihre Fleischproduzenten und zudem sicherstellen, dass nur hormonfreies Fleisch in die EU exportiert wird. Kanada stimmte einer Steigerung der Käseeinfuhren aus der EU von 13 000 auf 29 000 Tonnen zu. Im Gegenzug darf Kanada 65 000 Tonnen Rindfleisch (bisher 15 000) und 80 000 Tonnen Schweinefleisch (statt 6000) in die EU liefern. Die Aufstockung der Rindfleischmenge war notwendig, um den Farmern in Kanada einen Anreiz zu geben, auf hormonfreies Fleisch umzustellen.

Automobilindustrie Durch Zollabbau und Regelungen über die Herkunft von Produkten soll die kanadische Automobilindustrie besseren Zugang zum europäischen Markt haben. Bis zu 100 000 Personenwagen sollen pro Jahr nach Europa exportiert werden können. Kanada hat eine bedeutende Autoteileindustrie. Die Provinz Ontario ist ein wichtiger Autoproduzent.  

Patentschutz für Pharmaprodukte Die EU hatte sich vehement für einen besseren Patenschutz in Kanada eingesetzt und eine Verlängerung um zwei Jahre erreicht. Kritiker in Kanada sehen dadurch Verzögerung für Generika und dadurch höhere Kosten für das staatliche kanadische Gesundheitswesen.  

Öffentliche Auftragsvergabe Europäische Unternehmen können bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Kanada mitbieten und umgekehrt. Für die kanadischen Provinzen und Städte, die ihre Unternehmen schützen wollen, war dies ein schwerer Brocken. Ceta regelt, dass bis zu genau festgelegten Grenzen („thresholds“) kanadische Städte das Recht haben, bei kleineren und mittleren Aufträgen lokale Interessenten zu bevorzugen.

Investorenschutz Dies war zuletzt das umstrittenste Thema, da die Regelungen Investoren besondere Schutzrechte einräumen. Es schien, dass Deutschland in diesem Bereich Nachbesserungen wünschen könnte, um Klagen von internationalen Konzernen gegen gesetzgeberische Maßnahmen etwa im Umwelt- oder Gesundheitsschutz oder in der Energiepolitik zu verhindern. Dass es dazu kommt, scheint eher unwahrscheinlich.