20 Jahre nach Veröffentlichung ihres Debüt-Albums „Quadratur des Kreises“ und zehn Jahre nach ihrem letzten Auftritt spielen Freundeskreis wieder ein Konzert in Stuttgart. Max Herre spricht im Interview über das Gartenhäuschen-Studio in Kaltental und mögliche neue Songs.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Wäre dies eine Nachricht im Fußballfachmagazin Kicker, würde in der Überschrift „Paukenschlag“ stehen. Ausnahmsweise darf man sich diese Vokabel aber auch im Pop-Kontext leihen, denn, Paukenschlag: Freundeskreis spielen 20 Jahre nach Veröffentlichung ihres Debüt-Albums und zehn Jahre nach ihrem letzten Auftritt in Stuttgart wieder live im Kessel. Am 29. Juni eröffnet der Freundeskreis das neue Open-Air-Festival am Mercedes-Benz-Museum, danach folgen weitere Shows in anderen deutschen Städten. Max Herre spricht im exklusiven Stuttgarter-Zeitung-Interview über den Auftritt beim Konzertsommer, Besuche von Udo Lindenberg in Kaltental und politische Positionierung in der Pop-Musik.

 
Herr Herre, 20 Jahre nach Veröffentlichung des Freundeskreis-Debütalbums „Quadratur des Kreises“ und zehn Jahre nach dem letzten Auftritt Ihrer Band spielen Sie nun wieder in Stuttgart, zum Auftakt des neuen Festivals „Konzertsommer“ am Mercedes-Benz-Museum. Wie kam es zu dieser Reunion?
Das war eine sehr spontane Entscheidung. Vor drei Wochen habe ich bei Wikipedia nachgeschaut, wann die „Quadratur des Kreises“ eigentlich genau erschienen ist, nämlich am 21. Februar 1997. Da haben wir überlegt, dass es schön wäre, das Jubiläum zum Anlass zu nehmen, mal wieder gemeinsam live zu spielen. Nach mehreren Telefonaten stand die Entscheidung dann heute endlich fest! Jetzt freuen wir uns riesig, weil wir seit 2007 in der Konstellation nicht mehr zusammengespielt haben. Das wird ein Klassentreffen!
Kommen bei der Gelegenheit die FK-Allstars live wieder zusammen, also der stark erweiterte Freundeskreis?
Eins kann ich schon mal verraten. Im Trio kommen wir sicher nicht. Es soll schon viel von dem auf der Bühne passieren, was unsere Konzerte früher ausgemacht hat.
Lassen Sie uns 20 Jahre in der Zeit zurückgehen: Die „Quadratur des Kreises“ wurde damals mit einer sehr politischen Single angekündigt, mit der Auskoppelung „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“. Hatten Sie damals keine Angst, dass diese Sound-Text-Kombination potentielle Hörer abschrecken könnte?
In diesen Dimensionen haben wir überhaupt nicht gedacht. Wir haben im Gartenhäuschen in Kaltental Musik gemacht und wollten Geschichten aus unserem Kontext erzählen, verpackt in Musik, die uns selbst inspiriert hat. Wie das bei den Hörern ankommen könnte, darüber haben wir uns keine Gedanken gemacht.
Wie sind Sie damals an Ihre Produktionen herangegangen?
Das war ganz einfach der Sound der Stadt. Wir haben das gespiegelt, was wir im On-U oder im „Hi“ selber gehört haben. Wir waren alle Soul-Lovers und haben uns immer über Musik definiert. Dazu kam dann noch der Besatzer-Background, die Baracks, mit denen Hip-Hop-Kultur nach Stuttgart kam, Live-Auftritte im Litfass oder anderswo, die uns inspiriert haben. Wir wollten Musik mit Haltung machen, die aber gleichzeitig tanzbar sein sollte.
Die „Quadratur des Kreises“ war ein Meilenstein der deutschen Rap-Geschichte, ein anderer war das Kopfnicker-Album von Massive Töne, dazu kamen Veröffentlichungen von Afrob und anderen: Wie erklären Sie sich, dass es damals einen so starken Output an qualitativ hochwertigem Hip-Hop aus Stuttgart gab?
Das war eine glückliche Konstellation und hat sicherlich viel mit der Kessellage Stuttgarts zu tun: Alles purzelte in die Kesselsohle, was zusammenpasste und zusammengehörte. Man lief sich einfach automatisch über den Weg: Ich wuchs auf im Stuttgarter Westen, im Jugendhaus West lernte ich zum Beispiel Wasi von den Massiven kennen und über ihn dann die ganzen Jungs aus Feuerbach und Weilimdorf. Stuttgart ist groß genug, dass etwas entstehen kann und klein genug, dass sich alle daran Beteiligten dann auch wirklich treffen.
Die Single „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ hatte für Sie ganz persönliche Konsequenzen: Ein Held Ihrer musikalischen Sozialisierung meldete sich bei Ihnen.
Ja, Udo Lindenberg rief mich an, das war für mich der Ritterschlag. Udo in der Schleyerhalle war das erste große Konzert, das ich besuchen durfte, im Alter von elf, begleitet von der damaligen Mitbewohnerin meiner Eltern. Das war eine Rock-Revue, die mich natürlich völlig geflasht hat. „Udopia“ war auch die erste LP, die ich mir gekauft habe. Ich konnte jedes Lied mitsingen und musste das auch oft tun, bei Geburtstagen oder auf Weihnachtsfeiern. Und dann ruft Udo Lindenberg mich an, einen 23-Jährigen, und erklärt mir, wie gut er die Single findet. Kurz danach hat er uns in unserem Gartenhäuschen-Studio in Kaltental besucht. Da saß dann dieser unglaubliche Rock-Pimp mit Hut, Zigarre und Sonnenbrille vor uns auf unserem Kunstleder-Sofa vom Sperrmüll und erzählte uns, wie wundersam elfenhaft vernebelt er das alles bei uns im Gartenhaus findet...
... bei der elfenhaften Begegnung ist es aber nicht geblieben.
Nein, wir durften ihn dann auch in Hamburg besuchen und zwei Stücke mit ihm für seine Platte produzieren. Ich, damals 24, mit Udo im Hotel Atlantic an der Bar, und von dort aus nachts mit seinem schwarzen Porsche über die Reeperbahn, wo er alle grüßte. Verrückt.
Weg vom Udo-Flash, hin zur Einschätzung der Qualität von deutschem Hip-Hop im Jahr 2017. In „Wenn der Vorhang fällt“ rappten Sie „Banaler Rap ist publik und macht uns in Sachen Kunst zu ‚ner Bananenrepublik“. Gilt das heute noch immer?
Nein, deutscher Rap ist heute wahnsinnig vielschichtig. Nachdem es in den Nullerjahren ziemlich monokulturell war, gibt es heute eine unglaubliche Bandbreite. Produziert wird die nicht mehr in dem einen Zentrum, stattdessen gibt es verschiedene stilbildende Orte. Toll finde ich, dass dabei Stuttgart und Umgebung immer noch eine wichtige Rolle spielt. Ich finde Nimo zum Beispiel sehr stark, mir gefällt Rin aus Bietigheim richtig gut und Tua von den Orsons halte ich für den besten Musiker und Texter seiner Generation.
Als Musiker und Texter waren Sie damals sehr politisch. Schreien die aktuellen Zeiten mit Trump, AfD und Co. nicht förmlich nach einer politischen Kommentierung durch den Freundeskreis? Wird es passend zu den Reunion-Konzerten auch neue Veröffentlichungen geben?
Ich habe mich auch in den vergangenen Jahren in meiner Musik immer wieder politisch geäußert. Dabei habe ich aber versucht, den Zeigefinger einzufahren, um eher auch mal ein Fragezeichen zu formen. Bei allem, was wir machen, muss aber die Botschaft des Internationalismus, der Weltoffenheit, der Diversität mitschwingen, das ist klar. Ob wir wieder etwas zusammen produzieren? Das will ich nicht ausschließen. Unter welchem Namen man das veröffentlicht, wird sich dann zeigen.