Friedhofszwang für Asche Ein Mann hat keine Lust auf den Friedhof
Peter Hakenjos liebt den Kirschbaum in seinem Garten. Dort soll einmal seine Asche ausgestreut werden. Doch bisher ist das nicht erlaubt. Warum eigentlich?
Peter Hakenjos liebt den Kirschbaum in seinem Garten. Dort soll einmal seine Asche ausgestreut werden. Doch bisher ist das nicht erlaubt. Warum eigentlich?
Unter den Klängen von „Somewhere over the Rainbow“, gesungen von Eva Cassidy, treten Freunde und Familienmitglieder durch die Terrassentür in den Garten. Es folgt eine kleine Ansprache, die Peter Hakenjos noch selbst verfassen will. „Vielleicht spreche ich sie sogar auf Band“, sagt der 75-Jährige. Wer beim Zuhören einen Kloß im Hals hat, kann ihn mit einem Gläschen Sekt herunterspülen. Dann bekommt jeder eine Schaufel in die Hand und es geht zum großen Kirschbaum am Ende des Grundstücks. Dort soll einmal seine Asche ausgestreut werden – mit Vorsicht, versteht sich, damit nichts auf das Nachbargrundstück weht.
Doch bevor sein letzter Wille in Erfüllung gehen kann, muss Hakenjos den Friedhofszwang abschaffen. Dabei kämpft er gegen ein Landesgesetz von 1971 und gegen eine noch längere Tradition. Und vielleicht kämpft er auch ein wenig gegen die wirtschaftlichen Interessen des Bestattungsgewerbes – doch das ist nur eine Vermutung.
Hakenjos trägt schwarz. Das tat er schon, als er noch Spanisch und Betriebswirtschaftslehre an einem Karlsruher Wirtschaftsgymnasium unterrichtete. Sein Garten hinter seinem Haus im Pfinztaler Ortsteil Kleinsteinbach sieht ein wenig aus wie ein Friedhof mit kleinen Wegen, Stelen, Skulpturen und sogar einem Totenkopf. Das Thema Tod liegt ihm am Herzen, obwohl er ein fröhlicher Mensch ist – fast eine „Plaudertasche“, wie er zugibt.
Eines ist klar: Ein Leichnam gehört auf den Friedhof. Das sieht auch Hakenjos ein. Schon aus Gründen des Gesundheitsschutzes und natürlich wegen des Immobilienmarkts: Ein Haus mit einer Leiche im Garten dürfte nahezu unverkäuflich sein. Doch bei einer Feuerbestattung sei es etwas völlig anderes. „Die Entkörperung findet bei der Verbrennung statt. Die Asche ist völlig ungiftig und hat reinen Symbolwert“, sagt er. Nicht einmal die DNA ließe sich daraus noch ablesen. Deshalb sei auch ein Ausstreuen in der Natur, an einem Fluss, auf einem Berg oder wo auch immer ein Mensch sich glücklich gefühlt habe, aus seiner Sicht völlig unproblematisch.
Hakenjos will keine Sondergenehmigung, sondern strebt eine grundsätzliche Neuregelung an. Doch bisher scheiterten seine Vorstöße. Es sei gegenwärtig keine Reform geplant, erfuhr er vom grün geführten Sozialministerium. Auch der Petitionsausschuss des Landtags lehnte eine Änderung ab. Die Bestattungskultur einer gemeinsamen Trauerverarbeitung sei eine wichtige Tradition, schrieb ihm CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. Es handele sich um ein hochsensibles Thema, das nur im Konsens bearbeitet werden dürfe, befand der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch. Und selbst der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wandte sich gegen die Liberalisierung. Ein öffentlich zugänglicher Ort zur Trauer sei unabdingbar.
Hakenjos überzeugt all das nicht. Bei einem Prominenten sei eine postmortale Pilgerstätte wichtig, aber doch nicht bei einem normalen Menschen wie ihm. Jeder solle – in Absprache mit seinen Angehörigen – selbst entscheiden dürfen. Also zog er vor den baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof. Doch die obersten Juristen des Landes machten es sich einfach (Az. 1 VB 158/21). Das Gesetz sie ja schon seit 1971 in Kraft und die einjährige Einspruchsfrist somit längst abgelaufen, erklärte das Gericht – für Hakenjos ein Witz: „Damals war ich 22 Jahre alt. Da habe ich mich mit dem Thema noch nicht beschäftigt.“
Aufgeben will er nicht. Inzwischen hat er sich ans Bundesverfassungsgericht gewandt und von dort immerhin erfahren, wie er eine Verfassungsbeschwerde einfädeln könnte. Und was denken seine Angehörigen? Kinder und Enkel hätten sich bisher nicht geäußert, seine Frau aber sehe es wie er. „Ich habe jahrelang die Gräber von meinen Eltern und Schwiegereltern gepflegt“, sagt Barbara Hakenjos-Seitz. „Und ich muss sagen: das war eigentlich überflüssig.“
Trick
Wer den Friedhofszwang umgehen möchte, kann die Asche ins Ausland ausführen lassen. In vielen europäischen Ländern wie der Schweiz oder der Niederlande ist der Friedhofszwang für Asche aufgehoben. In Deutschland wurden bereits in Bremen und Nordrhein-Westfalen Lockerungen beschlossen.
Ausnahmen
Grundsätzlich gilt der Friedhofszwang in Deutschland seit 1934. Damals wurde ein preußisches Gesetz auf das ganze Reich ausgeweitet. Allerdings gab es immer Ausnahmen für hohe geistliche und adlige Würdenträger. So werden die Erzbischöfe von Freiburg seit den 1970er Jahren in der Bischofsgruft im Freiburger Münster beigesetzt.