Jetzt wird es kompliziert. Weil nur vier von sechs Gruppendritten ins Achtelfinale einziehen, beginnt ab sofort das große Rechnen - womöglich bis zur letzten Minute der Gruppenphase.

Marseille - Eines vorab: Der Nobelpreis für Mathematik, den wir der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften für dieses Jahr dringend zur erstmaligen Auslobung empfehlen, dürfte bereits vergeben sein – an jenes Hirn, das den Modus für diese EM ersonnen hat.

 

Es muss gezischt und gebrodelt und geraucht haben, ganze Wälder müssen abgeholzt worden sein für das viele Papier, auf denen alle Eventualitäten notiert wurden, bestimmt wurden ganz viele Computerprogramme geschrieben, und ganz gewiss hängt jetzt eine arme Seele in der Uefa-Zentrale in den Seilen und hechelt: Ich wollte doch nur das Beste. Respekt, Herr Einstein: Sie waren als Wissenschaftler ein Genie. Aber, mit Verlaub, ein kleines Dummerchen im Vergleich zu dem Giganten, der uns den Weg bis ins Endspiel weist.

Der große Uefa-Gelehrte und gestürzte Präsident Michel Platini hat in seiner schier grenzenlosen Fürsorge für die kleinen Fußball-Nationen entschieden, die Euro 2016 von 16 auf 24 Länder aufzustocken. Dagegen wäre wenig einzuwenden, wenn dadurch die Regel Nummer eins, ersonnen vom englischen Fußball-Weisen Gary Lineker, nicht unnötig verkompliziert würde, wonach 22 Männer einem Ball nachjagen, und am Ende gewinnen immer die Deutschen. Schön wär’s. Die Deutschen gewinnen schon lange nicht mehr immer. Und einfach war gestern.

Jetzt ist EM, und die wird zunächst in sechs Gruppen mit je vier Mannschaften gespielt. Die jeweils ersten beiden Teams und vier der sechs Gruppen-Dritten bilden dann die 16 Achtelfinalisten. Ermittelt werden diese Dritten nach folgenden Kriterien (in dieser Reihenfolge): Punktezahl, direkter Vergleich (Punkte, Tordifferenz, erzielte Tore), Tordifferenz, erzielte Tore, Fair-Play-Verhalten, Uefa-Koeffizient. Für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass dann immer noch zwei Kandidaten gleichauf liegen, gibt es im Anschluss an das letzte Gruppenduell zwischen den beiden betreffenden Mannschaften ein Elfmeterschießen. Sind diese beiden Teams im letzten Gruppenspiel keine direkten Gegner, entscheidet das Los.

Kompliziert, komplizierter, EM-Modus

Um dann die vier besten Dritten herauszufiltern, entscheiden im Quervergleich der sechs Gruppen folgende Kriterien: Punkte, Tordifferenz, erzielte Tore, Fair-Play-Verhalten, Uefa-Koeffizient. So ist es möglich, dass der Dritte der Gruppe A, der seit Sonntagabend feststeht, drei Tage warten muss, um zu erfahren, ob das Turnier für ihn weitergeht oder beendet ist – bis am Mittwoch die Gruppen E und F als letzte ausgespielt sind. Theoretisch sind auch Spielabsprachen möglich, weil die Teams dieser beiden Gruppen wissen, welches Ergebnis reicht, um zu den vier besten Gruppen-Dritten zu zählen. Gerecht ist dieser Modus nicht, weil Teams aus unterschiedlich schweren Gruppen miteinander verglichen werden.

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Noch komplizierter wird es, wenn es um die Achtelfinal-Paarungen geht. Gewinnt Deutschland seine Gruppe, trifft es auf einen Dritten der Gruppen A, B oder F. Welcher das sein wird, legt ein Zuordnungsschlüssel der Uefa fest. Dabei gibt es 15 Möglichkeiten. Beispiel: Kommen die vier besten Dritten aus den Gruppen A, B, C und D, ist Teilnehmer A der deutsche Gegner, bei den Gruppen A, B, C und E ist es Teilnehmer B.

Alles verstanden? Macht nichts. Am Ende, versichert die Uefa, gibt es auf jeden Fall einen Europameister – wie auch immer.