Die bei Real Madrid und dem FC Barcelona gereiften Luka Modric und Ivan Rakitic prägen das Spiel der Balkanelf. Am Sonntag geht es bei der EM in Frankreich gegen die Türkei (15 Uhr).

Sport: Carlos Ubina (cu)

Paris - Da kommt ganz schön was zusammen an Titelehren: drei Champions-League-Triumphe, zwei Weltpokalsiege, zwei spanische Meisterschaften, drei spanische Pokalgewinne plus einmal noch den nationalen Supercup. Gesammelt in vier Jahren, verteilt auf zwei Erzrivalen mit zwei gegensätzlichen Fußballphilosophien und zwei Spielern von Real Madrid und dem FC Barcelona, die jetzt für Kroatien gemeinsame Sache machen müssen: Luka Modric und Ivan Rakitic.

 

Die beiden Mittelfeldspieler bilden das Herz und das Hirn einer Mannschaft, die am Sonntag (15 Uhr/ARD) im Pariser Prinzenpark ihr erstes EM-Gruppenspiel gegen die Türkei bestreitet. „Das wird gleich eine Schlüsselpartie“, sagt Modric, „und gegen die Türkei haben wir ja noch etwas gutzumachen.“ 2008 war das, als die Kroaten im EM-Viertelfinale ein schon gewonnen geglaubtes Spiel noch aus der Hand gaben – und im Elfmeterschießen unterlagen.

Modric weinte damals bittere Tränen. Er war 22 Jahre jung und galt wechselweise wegen seiner Ähnlichkeit in Figur und Frisur als der neue Johan Cruyff oder wegen seines feinen Spiels als Fußballmozart. Heute ist Modric zu einem Spielmacher von Weltformat gereift, und der kroatische Nationalcoach Ante Cacic bezeichnet ihn als seinen „wichtigsten Spieler“.

Eine der besten Mittelfeldreihen der EM

Eine Last, die Modric gerne bereit ist, auf seine schmächtigen Schultern zu nehmen. Er ist aus seinem Club ja gewohnt, ein Spiel zu tragen – wenn auch mit einer ganz anderen Wahrnehmung. Bei Real Madrid blickt nahezu alles auf die vordere Reihe mit Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Karim Benzema. Modric ist dagegen der Könner für Kenner, der Mann, der das Spiel aufbaut, es dirigiert und sich dennoch nicht zu schade ist, hinten Bälle zu erobern.

Wie Rakitic bei Barça. Dort weiß er Lionel Messi, Neymar und Luis Suárez vor sich. Für sie läuft er, für sie passt er, für sie wirft er sich auch mal in Zweikämpfe. „Aber das ist kein Problem, wenn du solche Mitspieler hast“, sagt Rakitic, der mit 19 Jahren als Wunderkind vom FC Basel zum FC Schalke geholt wurde. Doch in Gelsenkirchen behandelten sie ihn eher als Problemkind. Erst der Wechsel zum FC Sevilla machte aus dem Techniker einen kompletten Mittelfeldspieler. Und seit seinem Transfer für knapp 20 Millionen Euro zum FC Barcelona gilt Rakitic als eines der größten Schnäppchen der Vereinsgeschichte.

Die Barça-Ikone Xavi hat er dort auf Anhieb aus der Stammelf verdrängt, und ähnlich wie Modric bei Real hat der 28-jährige Rakitic dort auch gelernt, sich perfekt in ein Ensemble einzufügen. Dieser gemeinsame Geist für das Mannschaftsspiel macht es Coach Cacic auch relativ leicht, jeweils einen geeigneten Platz für seine beiden Stars im Team zu finden. Modric ist der stille Anführer mit den vielen Ballkontakten, Rakitic der dynamische Antreiber mit dem gefährlichen Torabschluss.

Zusammen ergibt das eine der besten Mittelfeldreihen der EM: technisch brillant, ballsicher, spielintelligent. Und mit Blick auf die weiteren Namen und Clubs im Kader vielleicht sogar einen Geheimfavoriten. Die Stürmer Mario Mandzukic (Juventus Turin), Nikola Kalinic (AC Florenz) und Andrej Kramaric (1899 Hoffenheim) gehören ebenso dazu wie die Mittelfeldspieler Ivan Perisic (Inter Mailand) und Milan Badelj (AC Florenz) und die Talente Mateo Kovacic (Real Madrid) und Ante Coric (Dinamo Zagreb). Dazu der erfahrene Kapitän Dario Srna von Schachtjor Donezk, der sein letztes großes Turnier spielt.

Vergleiche mit der legendären Generation

„Das Wichtigste ist jetzt, dass wir außerhalb als Gruppe funktionieren und auf dem Platz eine Einheit bilden“, sagt Modric. Nur so stelle sich Erfolg ein. Und nur so entkommt die neue Generation auch den ewigen Vergleichen mit der legendären Generation von 1998. Davor Suker, der heutige Verbandspräsident, gehörte einst dazu. Zvonimir Boban, Robert Prosinecki, auch der frühere Stuttgarter Zvonimir Soldo.

Sie wurden in Frankreich WM-Dritter, weil sie Künstler und Kämpfer in einem Kollektiv vereinten. Daran muss sich seither jede kroatische Nationalelf vergeblich messen lassen. Doch nun scheint es genug. „Es ist Zeit, endlich wieder etwas Großes zu erreichen. Wir wollen unser Volk stolz machen“, sagt Rakitic. Was ganz im Sinne von Modric ist, dem anderen Titelsammler.