Nordirland geschlagen, als Gruppenerster ins Achtelfinale eingezogen, die Leistung gesteigert – dennoch hatte Bundestrainer Joachim Löw an der deutschen Nationalmannschaft was auszusetzen.

Paris - Joachim Löw schaute gar nicht glücklich drein. „Mit dem Ergebnis“, knurrte der Bundestrainer, „bin ich nicht zufrieden.“ Thomas Müller klagte selbstkritisch: „Ein bisschen war es auch Unvermögen.“ Und Mario Gomez immerhin versicherte alle Beteiligten, es könne ja trotz allem „noch ein sehr gutes Turnier werden.“ Wer nicht gesehen hatte, was in den 90 Minuten zuvor passiert war, dem konnte durchaus Angst und Bange werden. Doch diejenigen, die das dritte EM-Gruppenspiel der deutschen Mannschaft am Dienstag gegen Nordirland verfolgt hatten, sind jetzt wieder ein bisschen zuversichtlicher als zuletzt. Weil den wenigen kritischen Worten viel mehr lobende Sätze gegenüberstanden. Und die deutsche Mannschaft am Ende doch noch sehr souverän das erste Zwischenziel bei dieser EM in Frankreich erreicht hat.

 

1:0 hieß es nach eben diesen 90 Minuten gegen die tapferen Nordiren, das deutsche Team war zum dritten Mal ohne Gegentor geblieben, und Tabellenplatz eins der Gruppe C vor den Polen und der Einzug ins Achtelfinale war auch gesichert. Die Bilanz auf dem Papier (sieben Punkte aus drei Spielen) stimmt also, und was alle Beteiligten noch viel mehr freute: Auch auf dem Platz scheint es wieder zu stimmen. „Wir haben das umgesetzt, was wir trainiert und was sich die Zuschauer gewünscht haben“, sagte Thomas Müller und ergänzte: „Wir waren gierig, haben uns vorne reingebissen.“ Und Chancen ohne Ende herausgearbeitet.

Genau dieser Esprit und dieser Torhunger waren es, die in den ersten beiden Gruppenspielen (2:0 gegen die Ukraine, 0:0 gegen Polen) noch schwer vermisst worden waren. Die Offensivspieler standen in der Kritik, das Auftreten des Weltmeisters machte wenig Hoffnung auf einen Durchmarsch ins EM-Finale – und Joachim Löw wusste: Er muss an den richtigen Stellschrauben drehen. Nach der Partie gegen die Nordiren ist klar: Fürs erste hat er sie gefunden.

Vor allem über die Laufwege seiner Spieler sprach der Bundestrainer im Anschluss an das 1:0 mit dann doch zufriedener Miene. „Die Laufwege waren besser, das Tempo war besser, wir haben da mehr investiert“, sagte er und lobte seine Spieler: „Wir haben einiges verbessert.“ Nicht zuletzt dank seiner zwei Umstellungen.

Löw hatte Julian Draxler und Benedikt Höwedes aus der Startelf genommen. Dafür durfte Mario Götze statt in der Spitze auf links ran, wo er die Räume immer wieder nutzen konnte. Über rechts lieferte Joshua Kimmich an der Seite des in der zweiten Hälfte wegen Wadenproblemen ausgewechselten Jérôme Boateng (Löw: „Eine Vorsichtsmaßnahme“) ein starkes EM-Debüt mit viel Offensivdrang ab. Und dann war da ja noch der von vielen Experten geforderte Mario Gomez. Der durfte es mit den nordirischen Abwehrrecken, den „Ochsen“, wie er sie respektvoll nannte, aufnehmen – und behauptete sich nicht nur immer wieder stark, sondern schaffte auch Räume für Thomas Müller. So kam der Star des FC Bayern in der ersten Halbzeit zu Chancen beinahe im Minutentakt, hatte seine beste Szene aber, als er gar nicht selbst zum Abschluss kam.

In der 30. Minute spielte Mesut Özil einen präzisen Pass auf Gomez, der leitete direkt auf Müller weiter und stand danach goldrichtig, als der Weltmeister wieder ablegte. Gomez traf, jubelte – und hoffte in diesem Moment, „dass wir noch höher gewinnen“. Weil, wie gesagt, die Möglichkeiten dafür gegeben waren. Doch blieb die Chancenverwertung bis zum Abpfiff das große Manko – das denn auch keiner kleinreden wollte. Denn klar ist bei allem Aufschwung: In der K.o.-Runde kann diese Schwäche fatale Folgen haben.

Die Phase der Entscheidungsspiele beginnt für das deutsche Team am kommenden Sonntag (18 Uhr) in Lille, Gegner ist die Slowakei oder Albanien, und „wenn wir den Hunger behalten“, sagte Thomas Müller, „geht der Ball auch irgendwann wieder rein“. Allein darauf zu hoffen reicht Joachim Löw aber nicht. „Wenn die K.o.-Spiele kommen, muss man die wenigen Chance eiskalt verwerten“, forderte er und verlangte noch mehr Konsequenz und Zielstrebigkeit vor dem Tor. Damit er nach einem möglichen Sieg im Achtelfinale auch durchweg glücklich und zufrieden sein kann.