Wie hatte der einstige Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge seinerzeit gegen seinen Trainer Ottmar Hitzfeld gestichelt? „Fußball ist keine Mathematik.“ Wenn er sich da mal nicht geirrt hat. Zwei Spieltage noch in dieser Saison der Fußball-Verbandsliga, und die Rechenschieber sind allgegenwärtig, auch bei den beiden Echterdinger Vereinen. Für Calcio im Fernduell um den Meistertitel sowie für den TV Echterdingen im Fünfkampf gegen den Abstieg zeichnet sich ein jeweiliges Fotofinish ab, seit dieser Woche mit zusätzlichen externen Faktoren. Der Oberliga-Verzicht der beiden badischen Vertreter ATSV Mutschelbach und TSG Weinheim mischt vor den aktuellen Samstag-Begegnungen in mancherlei Hinsicht die Karten neu.
Calcio Leinfelden-Echterdingen – Türkspor Neckarsulm (Samstag, 15.30 Uhr)
War’'s das schon? Hat sich Calcio bereits am vergangenen Wochenende den fürs Titelrennen vorentscheidenden Wackler geleistet? Fakt ist: Der späte 1:1-Gegentreffer in Hofherrnweiler und der damit einhergehende Verlust der Tabellenführung haben weh getan. Aus eigener Kraft sind Platz eins und der Direktaufstieg damit nicht mehr möglich. „Die Stimmung war danach schon etwas am Boden. Wir mussten im Training diese Woche erst einmal Aufbauarbeit leisten“, sagt der Sportdirektor Ioannis Tsapakidis.
Freilich, nun lautet die Devise: keine Zeit zum Trübsal blasen, stattdessen nicht locker lassen, weiterhin 100 Prozent. Zum einen, weil ja keiner wissen kann, ob dieser Krimi an der Spitze nicht vielleicht noch einmal eine Wendung nimmt. Sollte der große Rivale SV Fellbach in einem seiner beiden verbleibenden Spiele in Berg und gegen Ehingen-Süd seinerseits patzen, wollen die Echterdinger zur Stelle sein. Zum anderen: Auch „nur“ mit Rang zwei ist bekanntlich noch längst nicht aller Tage Abend. Stichwort Aufstiegsspiele. Für den in diesem Fall folgenden finalen Zusatz-Nervenkitzel würde es nicht minder gelten, die Spannung auf dem obersten Level zu halten. Über allem schwebt dabei weiterhin das Fragezeichen, ob die finanziell angeschlagenen Fellbacher ein Aufstiegsrecht überhaupt wahrnehmen würden. Eine offizielle Entscheidung von Tsapakidis’ Ex-Verein steht auch eine Woche vor Ablauf der Meldefrist für die Oberliga (am 31. Mai) noch aus.
Einstweilen sieht es Tsapakidis so: „Wir müssen auf alle Szenarien vorbereitet sein.“ Doch noch Titelgewinn und damit Direktaufstieg – für Calcio dann am Wochenende darauf mit der eigenen Abschlusspartie in Maichingen. Oder Vizemeisterschaft, aber trotzdem Direktaufstieg, weil Fellbach verzichtet. Oder Vizemeisterschaft und die erwähnten Aufstiegsspiele. Jene hat der Verband aufgrund der Situation um den FC Villingen inzwischen neu terminiert. Das Auswärts-Hinspiel gegen den noch unbekannten badischen Qualifikanten wird nun erst am 12. oder 15. Juni stattfinden, das Rückspiel entsprechend am 15. oder 18. Juni. Hintergrund ist, dass die Villinger sowohl mit ihrer ersten als auch zweiten Mannschaft (Oberliga und Verbandsliga Südbaden) dick im Aufstiegsrennen liegen, die „Zweite“ tatsächlich aber nur aufsteigen kann, wenn dies auch die „Erste“ tut. Geklärt sein wird dies im ungünstigsten Fall erst am 11. Juni, wenn die Aufstiegsrunde zur Regionalliga beendet ist – was wiederum späten Einfluss darauf haben könnte, welcher badische Vertreter württembergischer Gegner in den Aufstiegsspielen zur Oberliga wird.
Klingt ziemlich kompliziert – und ist es auch. Und noch einmal mehr, weil in der nordbadischen Verbandsliga-Staffel mittlerweile der aktuell Zweite TSG Weinheim kund getan hat, dass für ihn die Oberliga kein Thema ist. Wer also als Calcio-Widersacher in Betracht kommen würde? Nach momentanem Stand am wahrscheinlichsten der FC Auggen, der 1. FC Mühlhausen oder der SV Spielberg.
Schlechte Erinnerungen ans Hinspiel
Doch ist das wie gesagt noch Zukunftsmusik. Aktuell steht nun erst einmal das letzte Liga-Heimspiel 2023/204 auf dem Programm, und dabei erwartet Tsapakidis einen Gegner, „der uns alles abverlangen wird“. Schließlich ist es immerhin der Tabellendritte, Türkspor Neckarsulm, dem aus oben genannten Gründen selbst noch eine Restchance auf den Durchmarsch bleibt (bei einem Fellbach-Verzicht würde der Dritte als Nachrücker die Aufstiegsspiele bestreiten). Ein atemberaubendes Duell lieferten sich die beiden Kontrahenten bereits in der Hinrunde – damals am Ende mit reichlich Calcio-Frust. Zwar spielten die Echterdinger ihre wohl besten 45 Minuten der Saison, kamen dann aber nach einer 3:0-Führung nicht über ein 4:4-Unentschieden hinaus.
Seitdem sind beim Gegner reichlich Turbulenzen gefolgt. Zweimal hat der ambitionierte Aufsteiger den Trainer gewechselt. Erst musste der Meistercoach Fatih Ceylan gehen – und zuletzt vor zwei Wochen auch der Nachfolger Tufan Tok. Als Interimscoaches fungieren nun zwei Spieler, Anil Sarak und Marco Di Biccari. Für den Letztgenannten bedeutet die jetzige Begegnung die Rückkehr an seine einstige Wirkungsstätte. Er hat ebenso eine Calcio-Vergangenheit wie der Neckarsulmer Torjäger Shkemb Miftari.
Bei den Echterdingern hat der Trainer Francesco Di Frisco in personeller Hinsicht derweil die breite Auswahl. Auch der zuletzt verletzt fehlende Routinier Josip Pranjic war in den Übungseinheiten dieser Woche wieder dabei – zudem in Nikita Schestakow vom A-Kreisligisten KV Plieningen (zuvor Oberliga in Linx) ein Trainingsgast. „Für eine Verpflichtung“, sagt Tsapakidis, „dürfte es allerdings eher nicht reichen.“
Spfr. Dorfmerkingen – TV Echterdingen (Samstag, 15.30 Uhr)
Parallele von Calcio zum TV Echterdingen: Auch der Ortsnachbar trifft auf einen Gegner, der noch den Platz-drei-Hoffnungsschimmer hat. Und: Auch für die Gelb-Schwarzen wird es auf der Zielgeraden eine ganz enge Kiste, flankiert von möglichen Rechenexempeln und Einflussfaktoren von außerhalb – in ihrem Fall freilich auf der anderen Seite der Tabelle, im Abstiegskampf.
Positive Kunde dieser Woche: Die seit Längerem kursierenden Gerüchte, dass der ATSV Mutschelbach seine Mannschaft aus der Oberliga zurückziehen wird, bewahrheiten sich nun. So wird es in der Spielklasse der Nordbadener einen sportlichen Absteiger weniger geben – was sich wiederum auf die Absteigerzahl in der darunter liegenden württembergischen Verbandsliga auswirken könnte. Dort lauten die beiden verbliebenen Möglichkeiten: fünf oder nur vier Direktabsteiger. Nur vier werden es sein, wenn entweder in der Oberliga einer der drei württembergischen Wackelkandidaten SSV Reutlingen, FC Holzhausen und FSV Bietigheim-Bissingen vom Mutschelbach-Aus profitiert, sprich nach dem letzten Spieltag am 1. Juni den dort nun rettenden 14. Tabellenplatz belegt. Oder wenn der noch zu ermittelnde württembergische Oberliga-Vizemeister über seine Aufstiegsspiele den Sprung in die Regionalliga schafft – was allerdings dann erst am 11. Juni feststehen wird.
Mithin viel Hätte, Wäre, Wenn – und die Echterdinger als momentan Fünftletzter ihrer Staffel mittendrin. Oder, um es mit deren Trainer Antonino Rizzo zu sagen: „Es ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Wir sind da vielleicht mit von Dingen abhängig, die wir leider selbst nicht beeinflussen können.“ Nach neuestem aktuellen Stand, Mutschelbach lässt grüßen, bedeutete der eigene Rang den Gang in die Relegation am 15. Juni.
Fünfkampf gegen den Abstieg
Insgesamt wetteifern in der Verbandsliga noch fünf Teams um den Klassenverbleib, außer den Echterdingern (33 Punkte) auch die TSV Oberensingen (36), der VfL Pfullingen (33), die Sport-Union Neckarsulm (31) und der GSV Maichingen (31). Zumindest noch zwei aus diesem Quintett werden am Ende definitiv den Weg hinab in die Landesliga antreten müssen. Als sichere Absteiger stehen bislang nur der FV Biberach und der FV Rot-Weiß Weiler fest. Weniger gut für Rizzo und die Seinen: Während sie wie erwähnt in Dorfmerkingen an diesem Spieltag eine Herkulesaufgabe vor sich haben, sind die vier genannten Fernrivalen in zwei direkten Duellen unter sich, werden also zum Teil definitiv punkten.
In den Dorfmerkingern sieht indes nicht nur Rizzo „die gerade wohl formstärkste Mannschaft der Liga“. Die Ostalb-Kicker haben zuletzt sechsmal in Serie gewonnen und damit in der Tabelle reichlich Boden gut gemacht. Fünfmal blieben sie dabei ohne Gegentor. Doch sieht es Rizzo mit dem Mut des Außenseiters: „Wir sind gezwungen, etwas mitzunehmen. Und wir fahren dorthin, um eben dies auch zu tun.“
Neuer Torhüter wird kommen
Im Echterdinger Aufgebot entspannt sich die Situation nach dem zuletzt reanimierenden 4:1 gegen den SSV Ehingen-Süd immerhin ein Stück weit. Die Verteidiger Stefan Todorovic (nach Gelb-Rot-Sperre) und Jonas Müller (war privat verhindert) sind wieder dabei. Im Tor wird erneut der Überraschungscomebacker des vergangenen Wochenendes stehen, Tim Becker. Wobei klar ist: dessen Zeit im Verein neigt sich dem Ende. Der vom Verletzungspech geplagte 27-Jährige steigt nach der Runde aus. „Wir werden eine neue Nummer eins holen“, kündigt Rizzo an.
Allein: Wechselgespräche gestalten sich gerade generell schwierig. Die ungeklärte künftige Klassenzugehörigkeit der Filderclubs erweist sich als Hindernis. Auch in dieser Hinsicht gilt: momentan alles kompliziert.