Zum Auftakt des G20-Gipfels gelang es Angela Merkel, dem US-Präsidenten eine Festlegung von Exportobergrenzen auszureden.

Seoul - Im Streit zwischen Deutschland und den USA über die Begrenzung von Exportüberschüssen haben sich beide Seiten überraschend auf einen Kompromiss verständigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich vor Beginn des G20-Gipfels in Seoul mit ihrer Forderung durch, keine nominellen Obergrenzen festzulegen, wie am Donnerstag nach einem Treffen Merkels mit US-Präsident Barack Obama aus Regierungskreisen verlautete. Zum Auftakt des Gipfels kamen die Führer der G20-Staaten im Nationalmuseum von Korea zusammen, vor dem sich mehrere Tausend Demonstranten versammelt hatten. Merkel und Obama bekundeten vor ihrem Treffen den Willen zur Zusammenarbeit. Die USA hatten gefordert, eine Obergrenze für Überschüsse und Defizite von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts festzulegen. Merkel hatte sich vehement dagegen gewehrt und erklärt, eine Feststellung von Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite sei weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen. Merkel und Obama seien sich darin einig gewesen, dass Angriffe auf die Finanz- und Währungspolitik der jeweils anderen Regierung wenig hilfreich seien, hieß es nach dem Gespräch. Auch China war zuletzt von den USA wegen seiner hohen Exportüberschüsse kritisiert worden, denen gewaltige Defizite der Amerikaner gegenüberstehen
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Vor dem offiziellen Gipfelauftakt am Abend kam Merkel zu Gesprächen mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak und Ministerpräsident Kim Hwang Sik zusammen. Eines der Hauptthemen war das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea, von dem auch Deutschland profitieren könnte. An der EWHA-Frauenuniversität in Seoul, der mit rund 25.000 Studentinnen größten ihrer Art auf der Welt, wurde Merkel zudem die Ehrendoktorwürde verliehen. Zur Begründung hieß es sie habe zur Herstellung des globalen Friedens und eines weltweiten Klimaschutzes wichtige Beiträge geleistet.

Merkel befürchtet eine Abwertungsspirale


Zum Währungsstreit sagte Merkel, dass die Wechselkurse, die "Fundamentaldaten der Ländern widerspiegeln" müssten. Damit zielte die Kanzlerin zugleich in Richtung USA und China. Die US-Notenbank hatte vergangene Woche angekündigt, 600 Milliarden Dollar ins System pumpen zu wollen, wodurch der Dollarkurs sinken dürfte. Auch Chinas Währungspolitik steht am Pranger. Peking hält den Yuan künstlich billig, um seiner Exportindustrie Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Zahlreiche Länder verlangen eine deutliche Aufwertung, die China bisher jedoch verweigert. Ökonomen warnen vor den Gefahren einer Abwertungsspirale von Währungen und vor wachsendem Protektionismus, der den Welthandel gefährden könnte. Deutschland gilt aufgrund seiner Exportabhängigkeit als besonders anfällig für Beschränkungen des internationalen Handels.

Trotz der nach wie vor großen Meinungsunterschiede zeigten sich die Regierungschefs bemüht, direkte Konfrontationen zu verhindern. Auch bei einem Treffen Obamas mit Chinas Präsident Hu Jintao wurde zumindest nach außen der Wille zur Kooperation demonstriert. Ob dieser ausreicht, um einen Durchbruch im Handels- und Währungsstreit zu erzielen, ist jedoch fraglich. Nach Angaben der G20-Präsidentschaft konnte in der Runde der stellvertretenden Finanzminister, die seit Montag über das Abschlusskommunikee feilschen, noch keine Einigung in entscheidenden Punkten erreicht werden.

"Basel III" und Währungsfondreform kommen


Doch da vorab schon mehrere Abkommen ausgehandelt wurden, werden die Regierungschefs am Donnerstagabend nicht ohne Erfolg dastehen: Noch einmal bestätigen wollen sie die Stimmrechtsreform im Internationalen Währungsfond (IWF), über die vor zwei Wochen im Rahmen der G20-Finanzministerkonferenz Einigkeit erzielt wurde. Die Regelung stärkt das Mitspracherecht der asiatischen Staaten, vor allem China und Südkorea. Auch die als "Basel III" bekannte Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen für Banken soll abgesegnet werden. Darüber hinaus dürfte es aber bei Absichtserklärungen zu weiteren Verhandlungen bleiben, so etwa bei der Verbesserung der Transparenz von Hedgefonds und privaten Beteilungsgesellschaften, der Kontrolle globaler systemrelevanter Banken und den Doha-Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels.

Die sogenannte Gruppe der 20 repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung, rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft und 80 Prozent des Welthandels. Der Gruppe gehören die acht wichtigsten Industriestaaten USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Russland und Kanada an. Die G-20 wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern.