Die Gallische Feldwespe trägt einen kleinen Brutreaktor mit sich herum: ihren Darm. Dort ist die Quelle einiger Hefe-Arten, die Brau- und Kellermeister besonders lieben. Die Hefen mischen sich hier mit anderen Arten, die sie sonst nie treffen würden.

Stuttgart - Sexualität spielt beim Brotbacken, Bierbrauen und Weinvergären meist keine große Rolle: Die bei diesen wichtigen Prozessen meist unverzichtbaren Hefen brauchen keinen Partner und lassen bei ihrer Vermehrung einfach einen Spross aus sich herauswachsen. Die Energie dafür gewinnen sie aus Zucker und produzieren als Abfall Kohlendioxid, das ein Brot locker macht, und Alkohol, der dann im Bier und Wein steckt.

 

Ganz so einfach aber ist es mit der Hefe doch nicht, argwöhnen Wissenschaftler schon lange. Finden sie im Erbgut dieser Minipilze, die nur aus einer einzigen Zelle bestehen, doch immer wieder die Spuren einer intimen Beziehung mit anderen Hefen. Und das ausgerechnet in den Hefe-Stämmen, die Brauer und Kellermeister schon lange für die Herstellung von Bier und Wein verwenden. Nach einigem Rätselraten enthüllen jetzt Duccio Cavalieri von der Universität von Florenz und seine Kollegen in der Fachzeitschrift „PNAS“ den von den Hefen lange geheim gehaltenen Ort für ihre zwischenpilzlichen Beziehungen: Sie verabreden sich für ein Stelldichein gern in den Därmen von Wespen.

Feinschmeckertreffen auf Weintrauben

Bei einem so ungewöhnlichen Treffpunkt ist es kein Wunder, wenn die Forscher bei ihrer Suche nach der Hefe-Liebeslaube so lange im Dunkeln tappten. Seit sie das Geheimnis aber enthüllt haben, fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen: Die Gallische Feldwespe Polistes dominula gilt zwischen Südeuropa und ihrer nördlichen Verbreitungsgrenze in Dänemark als Schleckermaul, das im Spätsommer und Frühherbst nicht nur an Pflaumenkuchen auf sonntäglichen Kaffeetafeln, sondern auch an vielen anderen Früchten in Gärten und Plantagen nascht. Oft sitzen die Insekten auch auf reifen und überreifen Weintrauben und treffen dort einen anderen Feinschmecker, die Hefe Saccharomyces cerevisiae. Das aber ist genau die Hefe, die den Zucker in Wein und Bier zu Alkohol vergärt und auch Brot mit Hilfe ihres Kohlendioxid-Abgases locker macht.

Die Wespen lassen sich durch diesen Mitesser wenig stören und verputzen ihn gleich zusammen mit den Weintrauben und deren leckerem Zucker. Die Hefen schmecken schließlich ebenfalls gut, enthalten viele Nährstoffe und einige Spurenelemente und munden daher auch uns Menschen als Hefeteig-Pizza, Krapfen oder Guglhupf ausgezeichnet. Alle Hefen aber werden im Wespendarm offensichtlich nicht verdaut. Duccio Cavalieri und seine Kollegen spürten dort jedenfalls gleich eine ganze Reihe verschiedener doch recht lebendiger Hefe-Stämme auf.

Nähere Analysen zeigten den Forschern, dass der Wespendarm anscheinend eine Art idealer Brutreaktor für die Hefen ist. Mehr noch, die aus Sicht der Pilze mollig-warmen Temperaturen, der Säuregehalt und die aus den Trauben gewonnenen Nährstoffe im Wespendarm regen die Minipilze offensichtlich dazu an, sich auf Brautschau zu begeben, statt Sprosse zu bilden. Partner gibt es ja genügend, weil die Wespen an verschiedenen Früchten knabbern, auf denen durchaus unterschiedliche Hefen wachsen können.

Unerwartete Paarungspartner

Zu ihrer Überraschung aber fanden die Forscher nicht nur Hefestämme, deren beide Elternteile Saccharomyces cerevisiae waren. In einigen Fällen gehörte ein Elternteil zum Beispiel zur Hefe-Art Saccharomyces paradoxus, die sich normalerweise im Darm der Gallischen Feldwespe gar nicht vermehrt. Diese Hefen wachsen normalerweise auf der Rinde von Laubbäumen wie Eichen, Ahorn oder Birken. Die Wespen zerkauen Holzfasern und mixen sie mit ihrem Speichel zu einem Kitt, aus dem sie ihr Nest bauen, das sie manchmal auch an eine Baumrinde hängen. Reifen dann die Trauben, ist im Wespendarm alles für eine Liebeslaube für die Hefen vom Wein und die von den Baumrinden vorbereitet, die sich anderweitig kaum treffen würden.

Diese logische Erklärung haben Duccio Cavalieri und seine Kollegen natürlich auch mit den Methoden der Naturwissenschaften getestet. Dazu haben sie die Wespen mit bestimmten Stämmen von Saccharomyces paradoxus versorgt. Gut bekam die Darmpassage diesen Hefen allerdings nicht; offensichtlich können sie in der Wespe nicht überleben. Mit einer Ausnahme: wenn sie sich mit der nahe verwandten Art Saccharomyces cerevisiae paaren. Tatsächlich fanden die Forscher dann neben den üblichen Bierhefe-Stämmen auch Hybride mit Saccharomyces paradoxus. Genau diese aber schätzen Brauer und Kellermeister sehr. Nur wussten sie bisher nicht, dass sie mit einem Ausscheidungsprodukt von Wespen arbeiten, denn nur auf diesem Weg können Hybridstämme das Insekt verlassen. Wohl bekomm’s!