Die Stadt Herrenberg hat das Ansinnen eines Landwirts abgelehnt, auf seinen Wiesen eine Solaranlage zu bauen. An seinem Plan will er trotzdem festhalten.

Gäufelden - Albrecht Gauß strotzt nur so vor Energie. Im wahrsten Sinne des Wortes. Mit seinen 72 Jahren erfreut er sich einer guten Gesundheit und steckt noch voller Tatendrang. Auf den beiden Getreideschuppen seines Aussiedlerhofes am Ortsrand von Gäufelden-Nebringen hat er Solarzellen montieren lassen und möchte eine noch größere Fotovoltaikanlage auf seinen Wiesen im Heckental errichten, die auf Gültsteiner Gemarkung liegen. Die Stadt Herrenberg, zu der der Ort Gültstein gehört, hat den Landwirt jedoch ausgebremst. Es handele sich um eine landwirtschaftliche Nutzfläche, die überdies dem Natur-und Landschaftsschutz unterliege, teilte man ihm mit. Eine Solaranlage komme dort also nicht in Frage. Der rüstige Rentner will aber nicht aufgeben.

 

Gibt es bald andere Bestimmungen?

„Vielleicht gelten ja bald andere Bestimmungen“, meint er verschmitzt. Außerdem sei die Gewinnung alternativer Energie auch eine politische Frage, schließlich wolle die Regierung die Energiewende schaffen. Bis zum Jahr 2020 sollen in Baden Württemberg zehn bis zwölf Prozent des Stroms aus Solarzellen gewonnen werden. Derzeit liegt die Quote bei etwa der Hälfte.

„Ich habe auch schon die Grünen gewählt“, sagt der ehemalige Gemeinderat von Gäufelden. Um ein Gewerbegebiet in Nebringen zu verhindern, hatte er die Gruppe Unabhängige Bürger gegründet und war mit einem weiteren Mitstreiter in das Gremium eingezogen. Die Industrieansiedlung auf der grünen Wiese konnten sie nicht verhindern, aber hinauszögern und mit ihren Argumenten darauf hinwirken, dass sie kleiner ausfiel als geplant.

1,1 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr

Und nun möchte er selbst eine Naturfläche von 1,6 Hektar preisgeben und eine Anlage für rund eine Million Euro errichten, wie er kalkuliert hat. Sie soll rund 1,1 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Wie passt das zusammen? „Wenn wir keine größeren Fotovoltaikanlagen bekommen, werden wir die Energiewende nie schaffen“, meint Gauß. In diesem Jahr hätten sich aus dem Land Investoren für lediglich drei größere Außenanlagen bei der Bundesnetzagentur gemeldet, um eine Einspeisevergütung zu erhalten, sagt Carsten Tschamber von der Branchenvereinigung Solar Cluster Baden-Württemberg, zu deren Mitglieder Energieunternehmen, Forschungsinstitute und Stadtwerke zählen. Tschamber hat einen Überblick über das Land. Er zweifelt an der Energiewende, wenn das so weitergehe.

„Statt lange Stromleitungen aus Norddeutschland zu uns zu legen, sollten wir hier für die Energie sorgen“, bekräftigt Gauß. Seine beiden, Richtung Süden gelegenen Wiesen seien mit einem Neigungswinkel von 30 Prozent ideal für die Gewinnung von Sonnenenergie, jedoch weniger geeignet für den Ackerbau. „Die Anlage würde sich binnen 16 Jahren amortisieren“, sagt der Landwirt. Bei einer Einspeisevergütung von rund 8,5 Cent pro Kilowattstunde kann er es kaum auf das schnelle Geld abgesehen haben.

Auf den Wiesen grast bisher Damwild

Rainer Stingel, der Leiter des Herrenberger Bauverwaltungsamts, bleibt bei seiner Haltung. Er teilte dem Landwirt mit, dass auch das zu Rate gezogene Landratsamt und der Verband Region Stuttgart sein Vorhaben „nicht befürworten“. Eine Änderung des Bebauungsplans komme nicht in Frage. Außerdem sei eine reflektierende Fläche weithin zu sehen und ein Fremdkörper in der Landschaft.

Gauß will dennoch den Vertrag mit dem Pächter seiner Wiesen kündigen, der dort Damwild grasen lässt. Beim Fototermin vor Ort möchte sich der 72-Jährige nicht mit den Tieren ablichten lassen. Er will eigentlich gar nicht so viel Wirbel machen und nun erst einmal abwarten: „Ich glaube, die Zeit arbeitet für mich.“ Eines Tages, so hofft er, werde er die Genehmigung zur Stromernte im Heckental erhalten. Dabei könnte der unbeugsame Landwirt vielleicht gar nicht so falsch liegen. Im nächsten Jahr will die Bundesnetzagentur nach eigenen Angaben auch Betreibern den Zuschlag für Flächen erteilen, „die als Ackerland genutzt worden sind und in einem benachteiligten Gebiet liegen“. Bisher werden nur ehemalige Deponien, still gelegte Bahnstrecken und einstige Militärgelände für Anlagen in der freien Natur zugelassen.