Zehn Jugendliche aus sechs Ländern legen im Rahmen eines Ferienprogramms die Grundmauern einer Flugzeughalle der Nazis frei. Sie erfahren dabei auch etwas über die Geschichte des ehemaligen KZ-Außenlagers Hailfingen-Tailfingen.

Gäufelden - Ein verrostetes Scharnier und einen alten, krummen Nagel hält der 20 Jahre alte Fabio Cazzola in den Händen. Am Vormittag hat er die Fundstücke der einstigen Flugzeugreparaturhalle des ehemaligen Nachtflughafens der Nazis sichergestellt. Fabio Cazzola und andere acht Jugendliche haben ganze Arbeit geleistet und mit Pickeln, Schaufeln und Kellen die Überreste der Gebäudemauer wieder sichtbar gemacht. Sie begeben sich derzeit auf Spurensuche an dem Ort, wo griechische Zwangsarbeiter starben und russische Kriegsgefangene während des Zweiten Weltkriegs eingesetzt wurden, um das Gebäude in der Nähe von Gäufelden-Tailfingen zu errichten und eine Flugzeugrollbahn zu schaffen. Fabio Cazzola und die anderen nehmen an einem Workcamp teil, das der Verein Internationale Begegnung in Gemeinschaftsdiensten organisiert hat.

 

Verwildert war das Gelände zuvor, hinter Sträuchern und Bäumen verborgen. Es liegt auf der Markung Ammerbuch im Kreis Tübingen, ganz in der Nähe der KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen, die an das ehemalige Außenlager der Nazis erinnert, in dem nachgewiesenermaßen von November 1944 bis Februar 1945 mindestens 186 KZ-Häftlinge ihr Leben ließen. Freiwillige Helfer des Gedenkstätten-Vereins befreiten das Areal von dem natürlichen Wildwuchs. Eine Firma hat Schotter gespendet, den die Gruppe nun mit Schubkarren und Rechen auf dem 24 mal 24 Meter großen ehemaligen Innenraum der Halle verteilen wird. Die Camp-Teilnehmer wollen in den nächsten zehn Tagen den historischen Ort soweit herrichten, damit die Arbeiten für eine weitere Gedenkstätte beginnen können.

Ein Ort für Lesungen und Konzerte

„Wir wollen hier Konzerte und Lesungen veranstalten“, sagt Volker Mall von der Gedenkstätteninitiative. Und natürlich wollen er und seine Mitstreiter auch die Namen der Menschen recherchieren, die hier einst unter der Aufsicht von Nazi-Schergen Zwangsarbeit verrichteten.

Am 18. April 1945 hatten französische Truppen Tailfingen besetzt, die Flugzeughalle war bis dahin nicht mehr ganz fertig geworden. „Wir haben lediglich eine Luftaufnahme der Alliierten, die das Gebäude zeigt“, berichtet Mall. Ob ein es ein Dach hatte, sei darauf nicht eindeutig zu erkennen. Übrig geblieben sind jedenfalls von den früher insgesamt 20 etwa acht Meter hohen Betonsäulen neun auf der einen Gebäudeseite und drei auf der anderen. „Nach dem Krieg hat sich die Bevölkerung hier Baumaterial geholt, so dass nicht viel übrig geblieben ist“, weiß Mall.

Völkerverständigung praktisch umgesetzt

„Es ist wichtig, die Orte zu besuchen, wo sich die europäische Kriegsgeschichte zugetragen hat und wo den Menschen so viel Leid zugefügt wurde“, sagt Fabio Cazzola. Dabei lerne man mehr, als in den Geschichtsbüchern stehe. Er habe sich schon als Schüler sehr für die Historie des 20. Jahrhunderts interessiert, für das dunkle Kapitel der Diktaturen in Europa und die Verfolgung von Juden und Regimegegnern. Der junge Mann aus einem kleinen Städtchen etwa 50 Kilometer von Mailand entfernt besuchte im Rahmen eines Projekts an seiner Schule auch die Vernichtungslager in Auschwitz und Birkenau. Der angehende Ingenieur für Sicherheitstechnik sagt: „Mir ist es wichtig, zu verstehen, was damals passiert ist.“

„Wir müssen uns mit der Geschichte auseinandersetzen, die sich vor unserer Haustüre zugetragen hat“, sagt die Ammerbucher Bürgermeisterin Christel Halm. Sie wird das gemeindeeigene Gelände an den Förderverein wohl verpachten, damit „ ein weiterer Ort der Völkerverständigung entstehen kann“. Die neun Jugendlichen aus sechs Ländern praktizieren sie bereits. Sie kommen aus Spanien, Russland, der Türkei, aus Frankreich und Südkorea. Und Fabio Cazzola aus Italien sagt: „Ich bin stolz, hier zu sein.“