Die Spielergemeinde wächst. Statt auf brachiale Gewalt setzen viele junge deutsche Firmen auf schrägen Humor und eigenwillige Grafiken. Mit ihrem Ideenreichtum behaupten sie sich gegen die Großen der Branche – auch auf der Kölner Messe Gamescom, die noch bis Sonntag läuft.

Köln - Dass Außenstehende ihrer Passion mit Unverständnis begegnen, sind Computerspieler gewöhnt. Dennoch wächst der deutsche Spielemarkt weiter – ebenso wie die Gamescom in Köln, die am Donnerstag für die Öffentlichkeit ihre Pforten öffnet. Noch nie waren so viele Aussteller angekündigt. Und das, obwohl namhafte Firmen wie Microsoft oder Nintendo diesmal fernbleiben.

 

Zwar müssen die Hersteller von Spielen und Konsolen laut Branchenverband Bitkom in diesem Jahr mit knapp vier Prozent Umsatzrückgang auf 2,5 Milliarden Euro rechnen. Den Spieleifer der Menschen hierzulande beeindruckt das wenig: 24 Millionen Gamer sind es insgesamt. Tendenz steigend. Das ist bemerkenswert, denn das Hobby, virtuelle Welten zu bereisen, wird in kaum einem anderen Land so angefeindet wie in Deutschland. So hagelte es Kritik, als das Spiel „Crysis 2“ der Frankfurter Firma Crytek mit dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet wurde. „Killerspiele dürfen nicht honoriert werden“, hieß es.

Nur Halbwüchsige mit Drang zu Gewaltdarstellungen?

Gerne wird dabei übersehen, dass die Spielergemeinde keineswegs nur aus Halbwüchsigen mit Hang zu drastischen Gewaltdarstellungen besteht. Mittlerweile wird über alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten hinweg gedaddelt. Entsprechend breit gefächert ist das Angebot, und immer öfter kommen die Titel von jungen deutschen Unternehmen, die sich mit viel Engagement auf dem hart umkämpften Markt behaupten.

Dazu gehört die Hamburger Firma Daedalic Entertainment, die sich mit Titeln wie „Deponia“ – eine abgedrehte Liebesgeschichte – oder dem gerade erschienenen „Face Noir“, einem interaktiven Thriller, einen Namen gemacht hat und einen Preis nach dem anderen gewinnt. Das Unternehmen, das 90 Mitarbeiter beschäftigt, hat eine Nische gefunden. „Wir haben uns dem Erzählen von Geschichten verschrieben und pflegen unsere Marken und Titel über Jahre hinweg“, sagt Geschäftsführer Carsten Fichtelmann. Auch der Vielfalt der Spielplattformen wolle man gerecht werden, aber nicht um jeden Preis.

„Auf Online-Sachen ohne Tiefgang haben wir keine Lust“

Erst vorige Woche wurde die iPad-Version von „Edna bricht aus“ veröffentlicht – und landete prompt auf Platz 1 der App-Charts. Das skurrile Abenteuerspiel mit der jungen Edna, die in einer Gummizelle in einer Nervenklinik aufwacht, und ihrem sprechenden Hasen Harvey hatte mit eigenwilliger Comic-Grafik und schrägem Humor den Kultstatus von Daedalic begründet. Der Nachfolger „Harveys neue Augen“ wurde als bestes deutsches Jugendspiel 2012 ausgezeichnet. „Auf irgendwelche Online-Sachen ohne Tiefgang haben wir keine Lust“, erteilt Fichtelmann dem Trend zu Gratis-Apps und Browser-Games eine Absage – auch wenn das bedeutet, darauf zu verzichten, mit Werbung einen schnellen Euro zu machen.

Aus der Möglichkeit, Spiele aus dem Internet herunterzuladen, ergeben sich Chancen für unabhängige Entwickler. „Viele Talente finden damit eine Möglichkeit, ihre Projekte zu Geld zu machen“, sagt Michael Zolna von Headup Games aus Düren. Fachbesuchern stellt Headup in Köln seinen für 2013 angekündigten Titel „The Inner World“ vor. Die Idee dazu wurde in einem Workshop des Studiengangs Interaktive Medien der Filmakademie Baden-Württemberg und an der Fachhochschule Weingarten entwickelt. Die beteiligten Studenten gründeten nach Abschluss des Studiums ihr eigenes Studio, um sie zu realisieren.

„The Inner World“ spielt in einer Welt, die sich entgegen aller physikalischen Gesetze in einem riesigen Hohlraum im Erdreich befindet und nur durch drei große Windbrunnen beatmet wird. Weil ein Brunnen nach dem anderen versiegt, muss der Spieler in der Rolle des Helden dieses versponnenen, märchenhaften 2-D-Adventures das Rätsel um das Verschwinden des Windes lösen.

Spieler besiedeln neue Planeten

Nach den Sternen greift man bei der Wormser Firma Kalypso Media. In Köln zeigt das Unternehmen, das 120 Mitarbeiter beschäftigt, unter anderem das Weltraumabenteuer „Legends of Pegasus“, eine innovative Mischung aus Strategie- und Aufbauspiel. In den Weiten des Alls besiedelt der Spieler neue Planeten, betreibt Forschung und konstruiert Raumschiffe, um fremde Galaxien zu erkunden. „Auch in Zeiten von Online-Games und herunterladbaren Inhalten ist uns der direkte Kontakt mit den Fans wichtig, um auf deren Wünsche besser eingehen zu können und uns von ihrer Begeisterung inspirieren zu lassen“, sagt Kalypso-Chef Simon Hellwig.

Als Teil des Medienkonzerns Koch Media gehört Deep Silver mit Sitz in Planegg bei München zu den etablierten Herausgebern von Computerspielen. Neben dem Aufbauspiel „Wildlife Park“ gehört die Abenteuerreihe „Geheimakte“ zum festen Repertoire. Im jüngsten Teil bekommt es die Heldin mit einem Fall zu tun, dessen Geschichte ins alte Ägypten zurückreicht. Wie seine Vorgänger setzt „Geheimakte 3“ statt auf brachiale Action auf geheimnisvolle Atmosphäre und spannende Rätsel. Ein solches Konzept ist auf einer überlaufenen Messe nur schwer zu vermitteln. Doch wer nicht zu den ganz Großen der Branche gehört, kann es sich nicht mehr leisten, in Köln zu fehlen.