Wenn das Stadion gut gefüllt ist, stehen viele Kickers-Fans auf der Tribüne im Regen. Das sorgt für Unmut.

Stuttgart - Viele Fans der Stuttgarter Kickers standen am Sonntag sauber im Regen. Nein, das hier ist keine Anspielung auf die sportliche Situation des Fünftligisten aus Degerloch. Die ist sogar richtig gut – wenn auch nur noch in der Oberliga. Auf jeden Fall gehen die Kickers nach dem 1:0-Sieg am Sonntag gegen den SSV Reutlingen als Tabellenzweiter in die Winterpause. Bei dem Spiel wurden aber tatsächlich etliche der 6350 Besucher pitschnass, obwohl seit vergangener Woche die Gegentribüne im Gazi Stadion nach zwei Jahren wieder ein Dach hat.

 

„Schildbürgerstreich“ und „schlechter Witz“

Aber eines das so bescheiden daherkommt, wie die Mieter in der unbedachten Zeit oft gespielt haben. Nur 60 Prozent der Tribünenfläche sind vom Regen geschützt. Je nach Wind werden bis zu zwölf Reihen nass. Im Netz gibt es dafür reichlich Hohn. Man spricht von „Dächle“, „Schildbürgerstreich“ oder „schlechtem Witz“. Einer vermutet dahinter gar „einen Fall für das Schwarzbuch der Steuerzahler“.

An der Stadt Stuttgart, dem Eigentümer der Arena unter dem Fernsehturm, perrlt der Spott jedoch ab. Günter Kuhnigk streitet überhaupt nicht ab, dass das neue Dach nur etwa 60 Prozent der Tribüne schützt. „Das war auch nicht anders geplant“, sagt er Chef des Sportamts der Stadt. Man habe 2016 wegen Problemen mit der Belastbarkeit das vorhandene Dach aus Sicherheitsgründen entfernen müssen. Danach habe man „eine große Lösung“ (Kuhnigk) überlegt, also den kompletten Neubau der Tribüne, die in einigen Punkten schon länger nicht mehr den Auflagen des Deutschen Fußball-Bundes von der dritten Liga an aufwärts entsprechen würde. Dummerweise war da einer der wichtigsten Mieter, eben die Stuttgarter Kickers, kurz zuvor in die vierte Liga abgestiegen. Ebenso wie die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart, die ebenfalls ihre Heimspiele im Gazi-Stadion austrug, seither aber nur noch nach Degerloch kommt, wenn viele Zuschauer zu erwarten sind oder es Sicherheitsprobleme geben könnte. Ansonsten spielt man im Robert-Schlienz-Stadion.

Interimslösung für 640 000 Euro

Vor dem Hintergrund rückte ein kompletter Neubau erst mal in weite Ferne, zumal die Kickers mittlerweile in Liga fünf angekommen sind. Die Stadt entschied sich für eine „Interimslösung“ (Kuhnigk), die die Stützen des alten Daches nutzt, die aber nicht mehr als das kleine Dach tragen und nicht überbaut werden dürfen. Dafür war die Lösung mit 640 000 Euro vergleichsweise günstig und bietet bei einem normalen Besuch von etwa 3000 Zuschauern auch genug trockene Plätze. Mittelfristig ist ein Neubau der Tribüne aber weiter im Visier, zumal man sie braucht, um zum Beispiel internationale Jugendspiele in Degerloch ausrichten zu dürfen. Und vielleicht berappeln sich die Kickers ja auch mal wieder. In der dritten Liga könnten sie aber im allerbesten Fall im August 2020 wieder gegen den Ball treten.

Bis dahin gäbe es eben nur ein 60-Prozent-Dach. Sollte unter dem freilich der Doppelaufstieg gelingen, würden die Fans das Provisorium sicher zum „Heiligs Dächle“ adeln und gerne im Regen tanzen. Ganz sicher.