Vor dreißig Jahren erschütterte der Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher die Republik. Von der Blamage hat sich der „Stern“ bis heute nicht erholt. Das ZDF widmet sich am Dienstag dem grotesken Fall, die ARD legt nächste Woche nach.

Stuttgart - Das größte Desaster des „Stern“ wird dreißig Jahre alt: Am 25. April 1983 hatte die Zeitschrift aus dem Hause Gruner + Jahr der Öffentlichkeit in Hamburg schwarze Kladden mit den Initialen FH unter die Nase gerieben und behauptet, jetzt, da die Tagebücher von Adolf Hitler aufgetaucht seien, müsse die Geschichte umgeschrieben werden. Dabei waren Verlagsmanager und namhafte Journalisten, auch der „Stern“-Gründer Henri Nannen, einem Fälscher auf den Leim gegangen und hatten vor lauter Enthüllungseifer übersehen, dass sie ihre Hände in einen „Eimer brauner Jauche“ tauchten, wie es der heutige Chefredakteur des „Stern“, Thomas Osterkorn, formuliert.

 

In der ZDF-Doku „Die Jahrhundertfälschung“ darf der Ex-Reporter Gerd Heidemann, der die von Konrad Kujau in Stuttgart gefälschten Tagebücher dem Verlag untergejubelt hatte, ein paar O-Töne aus seinem Archiv mitgeschnittener Telefonate präsentieren. Zufällig stützt ein Gespräch mit Kujau vom 9. Mai 1983 Heidemanns Beteuerung, er habe nichts von einer Fälschung gewusst – falls das Telefonat echt ist. „Wo sind die Bücher her, sag es mir doch?“, bedrängt er Kujau, drei Tage nachdem das Bundesarchiv in Koblenz das verheerende Urteil „plumpe Fälschung“ gefällt hatte. „Die sind aus der DDR, Mensch“, antwortet Kujau. Heidemann: „Ich kann mir im Grunde nur eine Kugel in den Kopf schießen.“

„Schtonk“ war lustiger

Der heute 81-jährige Heidemann lebt „von 360 Euro monatlich“ (ZDF) und will „alles abgeliefert“ (Heidemann) haben. Gemeint sind die Summen, die ihm der „Stern“ zum Ankauf der Hitler-Tagebücher übergab, insgesamt 9,34 Millionen D-Mark. Ein Teil des Geldes ist jedoch verschwunden. Das Gericht glaubte Heidemann nicht, er wurde wegen Unterschlagung zu einer Haftstrafe verurteilt. Seine zweifelhaften Tonbänder hatte er nicht vorspielen dürfen, aber für Reporter packt er sie hin und wieder aus.

Angesichts der grotesken Umstände schlägt der Autor Jörg Müllner in seinem Film einen spöttischen Ton an, der jedoch nur halb so lustig ist wie jeder Schnipsel aus der Tagebuch-Satire „Schtonk“, zumal neben den historischen Filmzitaten auch die „szenischen Rekonstruktionen“ ganz alt aussehen. Dazwischen werden Interviews eingestreut, etwa mit ehemaligen „Stern“-Redakteuren und dem Medienpsychologen Jo Groebel. Harald Juhnke singt „Barfuß oder Lackschuh“, Christoph Maria Herbst zitiert aus den falschen Tagebüchern. Seine Hitler-Parodien sind populär, seit er in den „Wixxer“-Filmen den Butler Alfons Hatler spielte und das Hörbuch zum Timur-Vermes-Bestseller „Er ist wieder da“ eingelesen hat. Man wird bei dieser süffigen Mischung also das Gefühl nicht los, so etwas könne nie mehr passieren – als ob die Medien nicht immer noch anfällig wären für „plumpe Fälschungen“.

Die ARD verblüfft eine Woche später mit einem anderen Ansatz: einer Recherche in Börnersdorf, dem Ort in Sachsen, wo in den letzten Kriegstagen ein mit Utensilien aus der Reichskanzlei beladenes Flugzeug abgestürzt war – dem Ursprung der Tagebuch-Legende. Die befragten Bewohner waren Kinder, als das „Hitler-Flugzeug“ in den Wald krachte, ihre Erinnerungen sind wohl eher Dorfgerede. Aber eines ist sicher: Das vermeintliche Kanzel-Fenster des Flugzeugs, das Heidemann stolz im „Stern“ präsentiert hatte, waren nur die Seitenscheiben des Autos von Horst Elbe aus Börnersdorf. Das habe ihm immerhin ein Päckchen eingebracht, sagt Herr Elbe und lächelt zufrieden über die gelungene Täuschung des durchgeknallten Reporters, der immer Kaffee, Schnaps und Damenstrümpfe für die Börnersdorfer dabei hatte.