Den Kreisen, Städten und Kommunen geht es dank der boomenden Wirtschaft so gut wie lange nicht mehr. Das nutzen sie, um kräftig zu investieren: in den Bau von Kitas, Straßen und schnellen Bahnverbindungen.

Kreis Böblingen - Ärgerlich für Autofahrer sind die vielen Baustellen in der gesamten Region Stuttgart. Und doch sind sie eigentlich ein positives Signal. Denn mögliche ist die Vielzahl an Straßensanierungen, Instandsetzungen und Neubauprojekten nur, weil bei Bund, Land, Kreisen und Kommunen dank der boomenden Wirtschaft die Kassen gut gefüllt sind. Dies bestätigt jetzt das Stuttgarter Regierungspräsidium, das die Haushaltsplanungen sämtlicher Kreise und großen Kreisstädte im Regierungsbezirk ausgewertet hat. „Die Kommunalfinanzen befinden sich im Aufwind“, stellt der Regierungspräsident Wolfgang Reimer zufrieden fest. „Anders als vor einigen Jahren steckt derzeit keine Kommune in einem prekär finanziellen Abwärtsstrudel. „Die gute Konjunktur sorgt für Rekordsteuereinnahmen und verschafft den Kommunen damit neue Handlungsspielräume.“

 

Die Kämmerer freuen sich über Rekordeinnahmen

Beispiel Sindelfingen: im Jahr 2016 verzeichnete der Kämmerer den Rekord von 150 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer – so viel wie nie zuvor. Trotzdem kalkulierte die Verwaltung für das Folgejahr vorsichtig. Die Erwartungen wurden jedoch bei weitem übertroffen – um mehr als 30 Millionen Euro. 135 Millionen konnte der Kämmerer am Jahresende an Gewerbesteuer verbuchen. Auch das kleinere Herrenberg, das keine große Steuerzahler wie Sindelfingen mit Mercedes Benz hat, kann nicht klagen. 17,5 Millionen Euro Gewerbesteuer, eine Million mehr als geplant, konnte die Stadt für das gerade abgelaufene Jahr verbuchen. Für dieses Jahr kalkuliert die Verwaltung mit 15,5 Millionen Euro.

Diese Einnahmen der Städte katapultieren den Kreis Böblingen an die Spitze bei der Steuerkraft im Land. Seit Jahren rangiert er dort auf den Plätzen eins oder zwei. Den Geldsegen nutzen viele Kommunen für kräftige Investitionen in die Infrastruktur. Vor allem der Ausbau der gesetzlich vorgeschriebenen Kleinkinderbetreuung sowie zusätzliche Ganzstagesschulen kommen die Städte teuer zu stehen. Zu schultern sind auch die Unterbringung der Flüchtlinge sowie in vielen Kommunen die lange aufgeschobene Sanierungen von Schulen und öffentlichen Gebäuden.

Reiches Sindelfingen hat keine Schulden

Trotz Rekordeinnahmen bewältigen diese Aufgaben nur wenige Städte, ohne sich zu verschulden. Um im Schnitt 18,7 Prozent werde der Schuldenstand der Kreisstädte bis Ende dieses Jahres steigen, sagt das Regierungspräsidium. Nur drei Kommunen im Regierungsbezirk sind so reich, dass sie auch am Jahresende voraussichtlich noch schuldenfrei sind: Bietigheim-Bissingen und Kornwestheim im Kreis Ludwigsburg sowie Sindelfingen. Dabei geht gerade Sindelfingen in die Vollen. 30 neue Stellen bewilligte der Gemeinderat für dieses Jahr. Viele davon sind dem Bauamt zugeschlagen, damit die anstehenden Riesenprojekte gestemmt werden können. Das teuerste und unkalkulierbarste darunter ist die Sanierung der Tiefgarage unter dem Marktplatz. Bis zu 40 Millionen Euro könnte dies kosten – und mehrere Jahre dauern. Auch neue Stellen werden geschaffen: Ein Koordinator soll sich künftig in der größten Stadt des Landkreises ausschließlich um die Digitalisierung kümmern, ein weiterer um die Akquirierung von Immobilien für Händler und Dienstleister in der Stadt.

Neue Mitarbeiter braucht man auch in der Nachbarstadt Böblingen. Acht zusätzliche Stellen bewilligten die Stadträte. Zwei davon sind ebenfalls für Bauprojekte vorgesehen. Denn wie in Sindelfingen gibt es zwar viele Pläne, aber zu wenig Personal, um sie umzusetzen. In den vergangenen Jahren waren die Stadträte eher knausrig gewesen. Die Schuldentilgung stand ganz oben auf ihrer Agenda. Doch nun soll wieder investiert werden, zum Beispiel in die Schulen, wo ein Sanierungsstau herrscht.

In Herrenberg wollen Verwaltung und Gemeinderat das etwas verschlafene Städtchen in nur wenigen Jahren in die Moderne puschen. 66 Millionen Euro sollen bis 2028 investiert werden – in Umgehungsstraßen, Einkaufszentren und Wohnanlagen.

Landkreis investiert eine Dreiviertel Milliarde Euro

Auch die Böblinger Kreisverwaltung investiert auf Rekordniveau. Eine Dreiviertel Milliarde Euro soll in den kommenden sieben Jahren in Großprojekte fließen: eine neue Zentralklinik, den Ausbau der Schönbuchbahn, die Sanierung der kleinen Krankenhäuser. „Investitionen solchen Ausmaßes hatten wir noch nie“, sagt der Landrat Roland Bernhard. „Den Steuerzahlern etwas zurückgeben“, nennt er das. Trotzdem arbeitet er weiter daran, die Schulden des Kreises zu verringern. Diese sind in den vergangenen acht Jahren um mehr als 50 Millionen Euro auf heute 43 Millionen gesunken. Das schaffen nicht alle Landkreise: in vieren werden dieses Jahr die Schulden steigen. „Wir müssen vorbauen für schlechte Zeiten“, sagt Bernhard. Diese sind freilich noch nicht in Sicht, meint das RP „Eine Trendumkehr ist in diesem Jahr nicht zu befürchten.“