Die Gemeinderatswahl in Tübingen hat die Position von Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) machtpolitisch nicht gerade gestärkt – die grün-rote Mehrheit schwindet. Palmer kündigte an, sich wieder als Grüner OB-Kandidat aufstellen zu lassen.

Tübingen - Nach der Wahl ist vor der Wahl. Das gilt besonders für Tübingen und seinen Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Wer im Gemeinderat sitzen wird, ist eben erst neu festgelegt worden. Am 19. Oktober muss sich Palmer dann selbst zur Abstimmung stellen. Dass er das tun wird, hat er bereits angekündigt. Am Mittwoch werden ihn die Tübinger Grünen wohl als ihren OB-Kandidaten ausrufen.

 

Die Gemeinderatswahl hat Palmers Position machtpolitisch nicht gerade gestärkt. Die Grünen sind zwar noch stärkste Fraktion, haben in Tübingen aber als einzige außer der FDP Sitze verloren. Die bisherige grün-rote Mehrheit ist dahin. Grüne, SPD und der OB haben im Gemeinderat nur noch 20 von 41 Stimmen. Palmer bekümmert das nach eigener Aussage nicht. Es werde auch künftig keine Frontenbildung im Tübinger Rathaus geben, kündigt er an. Vielmehr werde er nach wie vor nach breiten Mehrheiten suchen. Gelegentlich haben Grüne und Rote freilich schon ihren Willen per Handzeichen durchgesetzt.

Weniger Schulden trotz Finanzkrise

Wie eine Wahl ausgeht, hängt nicht unwesentlich von der Kandidatenlage ab. Bevor sich die Bewerberkonkurrenz für die OB-Wahl im Oktober warm läuft, kann es dem Titelverteidiger nicht schaden, wenn er die Errungenschaften seiner Amtszeit präsentiert. Er habe bei seinen Leuten noch zur Diskussion gestellt, ob man jetzt wirklich einen Tätigkeitsbericht vorlegen solle, sagt Palmer treuherzig. Er weiß: „Die Verwaltung arbeitet am Anschlag“. Und dann nebenher auch noch einen Bericht für die Nachwelt anfertigen? Die Mannschaft wollte. Mehr als 60 Autoren in städtischen Diensten halfen mit, und so kann Palmer auf 192 Seiten präsentieren, was das Rathaus in den Jahren 2007 bis 2014 getan hat.

Das ist allerdings nicht wenig. Trotz der haushaltspolitischen Verwerfungen durch die Finanzkrise hat die Stadt heute weniger Schulden als vor acht Jahren. Dabei habe man auch mächtig investiert, sodass die Abschreibungen auf das städtische Vermögen niedriger seien als dessen Wertsteigerung. Baden-Württemberg-Rekord sei, dass 87 Prozent der ein- bis dreijährigen Kinder einen Betreuungsplatz haben. Deutschlandweit spitzenmäßig setzt der durchschnittliche Tübinger 18 Prozent weniger Kohlendioxid frei. 3000 bis 4000 neue Wohnungen sind seither in der Stadt geschaffen worden, dabei habe man den Flächenverbrauch „fast auf null reduzieren“ können. 40 000 Arbeitsplätze in der Stadt bedeuteten einen weiteren Rekord, nach einem „stürmischen Zuwachs von zwölf Prozent zwischen 2008 und 2012“.

Palmer weiß, dass „die Ausweitungen der Dienstleistungen der Stadt für die Bürger“ einher gehen mit einer Arbeitsverdichtung beim Personal: „Die städtischen Mitarbeiter mussten immer noch mehr machen.“ Auch der Gemeinderat musste sich durch „30 bis 40 Prozent mehr Text in Vorlagen“ durchwühlen. Der OB weiß auch, dass seine Führungsmannschaft funktioniert. Er, der Dezernent 00, lässt ihnen, das sind der für Finanzen und Soziales zuständige Erste Bürgermeister Michael Lucke (Dezernent 01), und der Baubürgermeister Cord Soehlke (Dezernent 02) Raum, ihre Erfolge selbst vorzustellen. Die tun das gerne und skizzieren bei der Gelegenheit schon mal die Aufgaben, die künftig zu erledigen sind. Als wäre nichts Besonderes.