Vor 40 Jahren, am 1. Januar 1975, wurden im Zuge der Gemeindereform die letzten infragekommenden Kommunen im Kreis fusioniert. Doch wieviel ist von den früheren Abneigungen heute noch zu spüren?

Kreis Ludwigsburg - Es war bereits beschlossene Sache, dass Aldingen ein Stadtteil von Ludwigsburg wird. Am 14. Juni 1974 hatten Aldingens Bürgermeister Albert Erhardt und Ludwigsburgs Oberbürgermeister Otfried Ulshöfer den Eingemeindungsvertrag unterschrieben, anschließend wurde angestoßen. Vier Tage später folgte Hochdorf. Doch der Stuttgarter Landtag legte am 27. Juni sein Veto ein – und verlangte eine Fünferunion von Aldingen, Neckarrems, Neckargröningen, Hochberg und Hochdorf. Nun drängte die Zeit: Am 1. Juli 1974 lief die Frist ab, bis dahin musste über einen freiwilligen Zusammenschluss zum Jahreswechsel entschieden werden.

 

Doch die fünf unabhängigen Gemeinden an der Mündung der Rems in den Neckar waren alles andere als begeistert. Gerade die reichste Kommune Aldingen befürchtete, für die Schulden der anderen aufkommen zu müssen – und stellte Forderungen: Der Sitz der Verwaltung müsse im größten Teilort sein, der Name der neuen Reformkommune solle Aldingen am Neckar lauten. Allerdings war das Aldinger Schloss, in dem sich das Rathaus befand, ungeeignet als Verwaltungssitz für die fusionierte Stadt.

Entscheidung kurz vor knapp

Schließlich einigten sich die Bürgermeister doch noch: Viereinhalb Stunden vor dem Ablauf der Frist war der Zusammenschluss unter Dach und Fach. Mit dem Fusionsvertrag in der Tasche setzten sich die Bürgermeister von Aldingen, Hochberg, Hochdorf, Neckarrems und Neckargröningen am Abend des 1. Juli 1974 ins Auto und fuhren zum Regierungspräsidium nach Stuttgart. Der Pförtner, der den Umschlag entgegen nahm, vermerkte gewissenhaft die Uhrzeit: 19.30 Uhr. Um Mitternacht wäre die Frist abgelaufen.

In dem Vertrag war noch Aldingen am Neckar als vorläufiger Gemeindename vorgesehen. Erst 1977 bekam die Stadt ihren Namen Remseck – in Anlehnung an den gleichnamigen Bergsporn über der Neckarbrücke zwischen Neckarrems und Neckargröningen, wo einst die im 15. Jahrhundert abgebrochene Burg Remseck gestanden hatte. „Die anderen wollten wohl nicht Aldingen heißen“, erklärt der frühere Remsecker Stadtarchivar Eduard Theiner. „Da war Remseck für sie sympathischer.“ Ein Alternativvorschlag versuchte, die Ortsteile sprachlich zu verbinden: „Hochremsingen“ lautete die Idee eines jungen Mannes.

Andere Gemeinden waren früher dran

„Man wollte damals nicht nur größere Kreise, sondern auch größere Gemeinden“, sagt Ulrich Hartmann, der zur Zeit der Kreis- und Gemeindereformen Ludwigsburger Landrat war. Während die Gründung von Remseck erst auf den letzten Drücker beschlossen wurde, gingen Beihingen, Geisingen und Heutingsheim bereits im Januar 1972 gemeinsame Wege. Der Vorschlag aus der Bevölkerung, sich „Heierlesgeierlesbeierlesbach“ zu nennen, wurde nicht umgesetzt. Stattdessen bekam die erste Reformkommune im Kreis den Namen Freiberg – nach einer früheren Standesherrschaft, den Herren von Freiberg.

„Ich sehe mich noch heute mit den drei Bürgermeistern im Hinterzimmer eines dortigen Cafés sitzen“, sagt der frühere Landrat. „Die haben den heroischen Entschluss gefasst und gesagt: wir hören alle auf.“ Und das, obwohl die Amtsinhaber alle „im vollen Saft“ und zwischen 40 und 50 Jahren alt waren. „Das vorzuschlagen, hätte ich mich gar nicht getraut“, sagt Hartmann. „Freiberg wurde in der Folge im Land als Musterbeispiel herumgereicht.“ Das neue Stadtzentrum in der geografischen Mitte der drei Orte sollte die Einheit stärken. Remseck fehlt dieses Stadtzentrum bis heute, es soll in den kommenden Jahren gebaut werden.

Korntal-Münchingen und Eberdingen weigerten sich lange

„Die personellen Umstände waren bei der Gemeindereform ganz wichtig“, sagt Hartmann. Etwa, ob ein Schultes ohnehin in Rente gehen wollte oder ob sich die Bürgermeister von potenziellen Fusionspartnern sympathisch waren. Außerdem galt es, die Interessen der Landeshauptstadt Stuttgart im südlichen Zipfel des heutigen Kreisgebiets zu berücksichtigen. Allerdings wurde das pietistisch geprägte Korntal dann doch kein Stadtteil von Stuttgart, sondern konnte sich mit Münchingen zu einer wohlhabenden Strohgäugemeinde zusammenschließen. Auch diese Fusion wurde zum letztmöglichen Zeitpunkt beschlossen. „Das war der wesensfremdeste Zusammenschluss im Kreis“, sagt der damalige Landrat. „Das ging mir gegen den Strich, aber der Stuttgarter Rachen war schon weit geöffnet.“

Uneinigkeit herrschte auch in der heutigen Gemeinde Eberdingen: Die Einwohner von Hochdorf an der Enz stimmten im Januar 1971 mit großer Mehrheit gegen die Bildung einer Gemeinde mit Eberdingen und Nussdorf, weshalb ein freiwilliger Zusammenschluss nicht möglich war. Im März 1974 sprachen sich bei einer Unterschriftenaktion 94 Prozent der Eberdinger gegen den Zusammenschluss aus. Nachdem der Landtag die Zwangsfusion bestimmt hatte, reichten die drei Kommunen Klagen beim Staatsgerichtshof ein. Aber während das Gericht etwa den Zusammenschluss von Sindelfingen und Böblingen kippte, lautete das Urteil im Fall Eberdingen: Die drei Gemeinden müssen zum 20. September 1975 eins werden. Heute sei der Zusammenhalt zwischen den Ortsteilen gut, sagt der Bürgermeister Peter Schäfer. Im Herbst soll das Jubiläum der Gesamtgemeinde gefeiert werden.

Für viele hat sich die Fusion gelohnt

Auch in Aurich hat es lange Widerstand gegen die angeordnete Eingliederung in die Große Kreisstadt Vaihingen an der Enz gegeben. In dem dazu nötigen Vertrag ließen sich die Auricher dann beispielsweise zusichern, dass in ihrem Ort ein Feuerwehrgerätehaus gebaut wird, auch die Erhaltung der dortigen Grundschule ließ man sich garantieren. „Heute muss man sagen: die Eingemeindung hat sich durchaus gelohnt“, bilanziert der Auricher Hobby-Ortshistoriker Erwin Müller.

„Nach 40 Jahren ist heute überall Frieden“, sagt der frühere Landrat Ulrich Hartmann. „Mir ist kein Fall bekannt, wo es offene Wunden gibt.“ Das liege auch daran, dass der emotionale Bezug zum Wohnort nicht mehr so stark sei wie früher. Anzüglichkeiten und Witze über Nachbargemeinden gehörten aber nach wie vor dazu.

Die Stadt Remseck feiert ihren Geburtstag unter anderem mit einer Fotoaktion, außerdem steht der Neujahrsempfang unter dem Motto „40 Jahre Remseck“ – sicher auch mit dem Ziel, das Zusammengehörigkeitsgefühl weiter zu stärken.

Schwabenalter
In Remseck wird das 40-Jährige mit einer Fotoaktion gefeiert. Unter dem Motto „Ich bin Remsecker...“ können sich Bürger alleine oder in Gruppen mit dem Ortsschild fotografieren lassen – und sich dazu einen Spruch ausdenken. Pro Monat werden vier Gewinner-Beiträge ausgewählt, die im Amtsblatt veröffentlicht werden. Außerdem steht der Neujahrsempfang am Sonntag, 11. Januar, von 17 Uhr an in der Bürgerhalle Hochberg unter dem Motto „40 Jahre Remseck“. Der frühere Stadtarchivar Eduard Theiner wird einen Vortrag halten.

Kreisreform
Seit den 1950er Jahren gab es im Land Bemühungen, größere Verwaltungseinheiten zu schaffen. Im Zuge der 1973 abgeschlossenen Kreisreform wurden die Kreise Leonberg und Vaihingen aufgelöst, die Gemeinden wurden zum Teil dem neuen Großkreis Ludwigsburg zugeschlagen. Affalterbach und Rielingshausen kamen aus dem Kreis Backnang hinzu, der ebenfalls aufgelöst wurde. Gronau wiederum wechselte aus dem Kreis Heilbronn in den Kreis Ludwigsburg.

Gesetz
1968 erließ der Landtag dann das Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden. Demnach sollten Gemeinden rings um Stuttgart mindestens 15 000 Einwohner haben. Bis zum Abschluss der Gemeindereform im Jahr 1975 ging die Zahl der eigenständigen Kommunen im Land von 3379 auf 1111 zurück.