Kultur: Adrienne Braun (adr)

Was schert uns diese Minderheit, mag man denken. Aber es sind längst nicht nur sie, die an den Kategorien rütteln. Die Causa Hornscheidt und die damit verbundene Genderdebatte ist keineswegs Privatsache oder „ein Luxusproblem einer verblödeten Gesellschaft“, wie einer im Internet kommentiert. Im Sport taucht das Problem regelmäßig auf – zuletzt bei der südafrikanischen Läuferin Caster Semenya. Der Leichtathletikverband ordnete eine „Überprüfung des Geschlechts“ an und teilte danach mit: „Es ist klar, dass sie eine Frau ist, aber vielleicht nicht zu hundert Prozent.“

 

Solche Beispiele könnten ein Hinweis darauf sein, dass die Grenzen zwischen den Geschlechtern nicht starr, sondern fließend sind und es zu kurz greift zu glauben, dass es neben dem Gros an hundertprozentigen Männern und Frauen halt noch ein paar Kranke gibt. Auch die Betroffenen wehren sich, pathologisiert zu werden, und wollen nicht länger hinnehmen, dass man sie in einer Demokratie in eine der beiden Schubladen zwingen will, nur weil andere sich darin wohlfühlen.

Wenigstens auf Facebook hat man die Wahl

In Facebook können die Nutzerinnen und Nutzer inzwischen in der Kategorie Geschlecht unter fünfzig Optionen wählen: „Cis woman“ und „Gender Fluid“ stehen zur Auswahl, „Non-binary“, „Transgender Female“ oder „Two-Spirit“. Man muss nicht wissen, was das jeweils bedeutet. Aber diese neuen Begriffe könnten Menschen helfen, die sich in keiner der Schubladen zu Hause fühlen. Mit einem Label wie „Dragqueen“ oder „Female to Male“ lässt sich mitunter erst richtig fassen, was man zuvor nur diffus spürte. Das lässt sich auch an dem Begriff „schwul“ ablesen, der heute fast inflationär auf Schulhöfen benutzt wird. „Früher hatten Jugendliche häufiger gleichgeschlechtliche sexuelle Erfahrungen als heute“, sagt die Genderforscherin Sabine Grenz, „inzwischen kommt das seltener vor, weil einige sich schon zu Beginn der Pubertät im Klaren darüber sind, dass sie heterosexuell sind“. Denn die Jugendlichen kennen die verschiedenen Identitäten und versuchen häufig früh, sich selber zuzuordnen. Über die Sprache kann Identität greifbar werden.

Wann ist ein Mann ein Mann? Geschlecht, sagt Sabine Grenz, konstruiert sich durch das Wechselverhältnis zwischen dem, woran man sich orientiert und dem, „was von außen an Anforderungen auf einen zukommt“. Das verändert sich je nach Lebensphase. Dennoch gibt es im Alltag viele Nischen, in denen der Genderswitch möglich ist: beim Karneval, im Chatroom oder auch bei Computerspielen.