Genossenschaftsmodell im Schwäbischen Wald Zwölf Gemeinden suchen einen Landarzt

Im Schwäbischen Wald fehlen besonders viele Hausärzte. (Symbolfoto) Foto: dpa/A2931/_Bernd Weissbrod

Nirgendwo fehlen so viele Hausärzte wie im Schwäbischen Wald. Jetzt haben sich zwölf Gemeinden zusammengeschlossen, um junge Mediziner in einer Genossenschaft anzustellen. Das klassische Modell einer selbstständigen Landarztpraxis hat ausgedient.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Immerhin eine Viertelstunde Mittagspause: Für Matthias Eh, Hausarzt in Abtsgmünd (Ostalbkreis), ist dieser Donnerstag einer der entspannteren Tage. Am Vormittag kommt ein Patient nach dem anderen ohne größere Wartezeiten an die Reihe, nach dem Mittag geht es auf Hausbesuch. Zurück in der Praxis reicht die Zeit für einen Blick auf die eingegangenen Laborwerte, ehe um 15.30 Uhr die Sprechstunde erneut beginnt. „Heute haben wir alles gut im Griff“, stellt Eh fest. Das ist nicht immer so. „Es gibt Tage, da glaubt man, nur das Chaos zu verwalten“, sagt Eh. Zum Beispiel am Vortag: Er sei zwei Stunden im Wartezimmer gesessen, beschwerte sich da ein Mann, der mit akuten Rückenschmerzen gekommen war.

 

Eh kann nichts dafür. Er ist Arzt im baden-württembergischen Notstandsgebiet. Auf 63,2 Prozent beziffert die Kassenärztliche Vereinigung den Versorgungsgrad im hausärztlichen Planungsbereich „Schwäbischer Wald“. Das ist landesweiter Minusrekord. Im Landstrich zwischen Gschwend und Heuchlingen, in dem 35 000 Menschen wohnen, fehlen zehn Hausärzte – Vollzeit versteht sich. Jetzt ist die Politik aktiv geworden. Eine Genossenschaft soll es richten.

„Manche konnten nachts nicht mehr schlafen“

Eigentlich sei es ja nicht wirklich eine Aufgabe für die Kommunalpolitik, sagt der Abtsgmünder Bürgermeister Armin Kiemel (Freie Wähler).„Uns wäre es am liebsten, wenn es so wie bisher weiter funktionieren würde“ – mit selbstständigen Praxen und ohne kommunale Unterstützung. Aber das tut es nicht. Von ehemals 4,5 Hausarztstellen im Ort sind nur noch 1,5 besetzt. „Für 7500 Einwohner ist das viel zu wenig.“ Als Ende März der Hausarzt Wolfgang Schlipf, geschlaucht von der Pandemie und in Vorfreude auf ein gebrauchtes Segelboot in Kroatien, seine Praxis für immer schloss, sei der Handlungsbedarf offenkundig geworden, sagt Kiemel. Vor allem Ältere hätten ihn angesprochen. „Manche konnten nachts nicht mehr schlafen.“

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Medwald heißt die neue Genossenschaft, die in anderen Landkreisen – unter anderem im Nordschwarzwald bei Calw – zwar Vorbilder besitzt, in ihrer Größe aber landesweit einzigartig ist. Zwölf Gemeinden und acht Ärztinnen und Ärzte haben sich darin zusammengeschlossen. Jetzt geht es auf die Suche nach jungen Medizinerinnen und Medizinern. Trotz des allgemeinen Trends junger Akademiker weg vom Land in die Ballungszentren handele es sich aus seiner Sicht um einen erfolgversprechenden Weg, sagt der Geschäftsführer des Tübinger Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens Diomedes, Martin Felger. „Sehr viele junge Mediziner möchten heute keine Verantwortung für eine eigene Praxis tragen“, sagt Felger. Sie strebten ein Angestelltenverhältnis an, wo sie auch in Teilzeit und im Team arbeiten könnten.

Prävention gegen internationale Investoren

Zudem bietet sich die Chance, von den oftmals ungeliebten Verwaltungsaufgaben entlastet werden. In dem genossenschaftlichen Medizinischen Versorgungszentrum soll sich ein Geschäftsführer um das Management der angeschlossenen Praxen kümmern. In anderen Kreisen habe die Idee schon voll eingeschlagen, sagt Felger.

Das Genossenschaftsmodell könnte aber auch einer anderen Entwicklung entgegenwirken. Mittelständische, aber zunehmend auch internationale Investorengruppen, die aus China, dem arabischen Raum oder den USA kommen, haben den deutschen Gesundheitssektor als Feld ihrer Aktivitäten entdeckt. Nachdem bereits im Bereich der Labormedizin und der Dialyse viele Unternehmen als Renditeobjekte aufgekauft wurden, folgten nun die Augenärzte, sagt Felger. Selbst Landarztpraxen könnten für solche Investoren irgendwann interessant werden, weil sie den Facharztpraxen der gleichen Kette Patienten zuführen könnten.

Alle Patienten kommen unter

Hausarzt Eh hofft derweil einfach auf Entlastung. Die Patienten des Kollegen Schlipf wurden inzwischen auf seine und die Praxen der Umgebung aufgeteilt. Dabei haben die meisten längst einen Aufnahmestopp verhängt. Wer sich jetzt für einen Routinetermin anmeldet, muss sich schon bis nach Pfingsten gedulden.

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