Denken Sie, dass es schwerer ist, Leiter einer Haupt- oder einer Werkrealschule zu sein als zum Beispiel auf einem Gymnasium?
Die Schulleitung und das Lehrerdasein sind auf jeden Fall vielschichtiger. Das Bild der Schüler ist sehr heterogen - in alle Richtungen. Die Grundschule gehört bei uns ja auch mit dazu. Am Gymnasium hat man eine Einschulung, dann geht es durch bis zum Abitur. Bei uns gibt es die Einschulung der Erstklässler, den Wechsel zu Klasse 5, die Prüfungen nach Klasse 9, die Prüfungen nach Klasse 10. Dazu haben wir noch eine Kooperationsklasse mit der Karl-Georg-Haldenwang-Schule in Leonberg und ein Inklusionsprojekt mit der Pestalozzischule. Schüler mit Migrationshintergrund bekommen Sprachunterricht. Der pädagogische Anspruch ist also mit Abstand größer.
Trotzdem ist das Prestige eines Gymnasialdirektors gefühlt doch deutlich größer, seine Absolventen werden vielleicht mal Ärzte oder Richter. Hat Sie das je gestört?
Nein, für mich war es immer gut, hier zu sein, und ich habe das auch nie bereut.
Und wie sieht es mit dem Wohnort aus? Sie sind nicht nur Rektor in Renningen, Sie leben auch hier. Das führt doch sicher manchmal zu komischen Situationen.
Als ich angefangen habe, gab es noch die Residenzpflicht, ich musste also hierherziehen. Das ging damals ruck- zuck, 1989 haben wir uns hier ein Haus gekauft. Die Residenzpflicht war für mich aber nie ein Problem. Klar, wenn man jedes Jahr weit über 100 Schüler einschult und das 29 Jahre lang, zu jedem Schüler gehören noch Mama, Papa, Oma und so weiter, dann sind das 9000 Menschen – niedrig gerechnet. In Renningen gibt es also immer irgendjemanden, der mich kennt. „Hallo, Herr Kicherer“, das höre ich schon immer wieder, aber das stört mich nicht. Ich halte es sogar für brauchbar, wenn man an seinem Schulort wohnt. Es muss natürlich nicht sein, aber mir hat es nicht geschadet.
Gab es denn je größere Konflikte in Ihrer Zeit als Rektor?
Nein, ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Eltern und Kollegen. Natürlich lief nicht immer alles ganz reibungslos, aber es war eine gute gemeinsame Zeit. Das Glas mit Bohnen und Samenkörnern, das mir die Vorsitzende des Elternbeirats zu meinem Start damals geschenkt hat – darin waren genau so viele Körner wie Schüler an der Schule waren –, das habe ich immer noch. Kein Bereich war je richtig schwierig, nicht mal mit der Politik. Ich habe mehrere Kultusminister erlebt und zwei Bürgermeister.
Nun dauert es nicht mehr lange, und Sie gehen endgültig in den Ruhestand. Haben Sie schon ein Abschiedsgeschenk von den Schülern bekommen?
Viele. Zum Beispiel das große Geodreieck da hinten, das habe ich von der ganzen Schule bekommen. Da hängen 29 kleine Geschenke dran, die je für ein eigenes Event stehen. Die Viertklässler haben mir zum Beispiel ihre Künste im Seilspringen gezeigt, andere haben ein kleines Zirkusprogramm oder ein Theaterstück aufgeführt. Das ist eine tolle Sache, die ich da erleben durfte. Zugleich ist es aber auch ein Abschied in Scheiben, und man wird jede Woche daran erinnert, dass es bald vorbei ist. Ich gehe gerne in den Ruhestand, aber die „eigene“ Schule zurückzulassen, das ist schon nicht einfach.
In Zukunft haben Sie zumindest mehr Zeit für Ihre vielen Ehrenämter, oder?
Im Augenblick bräuchte ich tatsächlich 25 Stunden, um meinen Tagesablauf so hinzukriegen, wie ich es möchte. Aber die nötige Zeit für meine Ehrenämter habe ich mir immer genommen.
Wissen Sie schon, was Sie sonst so alles machen wollen?
Mein größter Wunsch, seit ich im Schuldienst bin, ist es, auszuschlafen. Nicht morgens um 6 Uhr aufzustehen und um 7 Uhr anzufangen. Ich bin eigentlich ein Nachtmensch. Aber mal sehen, wie lange ich das mit dem Ausschlafen durchhalte. Im November bin ich Opa geworden, ich werde also sicher öfter meine Tochter in München besuchen. Und mit meinem Sohn habe ich ein Bauprojekt, er renoviert ein Bauernhaus. Ich bin gerne Lehrer und Schulleiter gewesen, aber mir war es immer wichtig, auch etwas Handwerkliches zu machen.
Die Weltreise ist also noch nicht gebucht?
Nein (lacht). Und wenn, dann auf jeden Fall nicht in der Ferienzeit, danach ist es billiger.

Das Gespräch führte Kathrin Klette.

 

Zur Person Gerhard Kicherer

In der Schule
: Gerhard Kicherer unterrichtete zwölf Jahre lang an der Albert-Schweitzer-Realschule in Böblingen, bevor er 1989 als Rektor an der Friedrich-Schiller-Schule in Renningen anfing – damals noch eine Grund- und Hauptschule, heute eine Werkrealschule. Darüber hinaus ist er der geschäftsführende Schulleiter sämtlicher Schulen in Renningen.

Neben der Schule:
In seiner Heimatstadt ist der 65-Jährige auch ehrenamtlich sehr aktiv. Für die SPD sitzt er seit vielen Jahren als Mitglied im Gemeinderat, außerdem ist er im Vorstand der Bürgerstiftung und der Aktion Notnagel. Diese hilft schnell und unkompliziert Bedürftigen vor Ort. Die Bürgerstiftung unterstützt beispielsweise Vereine, Jugend- und Altenarbeit und andere gemeinnützige Projekte in der Stadt Renningen.