Gerüchte um Senderfusion Der SWR-Chef versetzt das halbe Saarland in Panik

SWR-Chef Kai Gniffke plädiert dafür, auch bisher Unvorstellbares zu denken. Heikle Reformvorschläge: SWR-Chef Gniffke Foto: dpa/Marijan Murat

Sind der Südwestrundfunk und der Saarländische Rundfunk „füreinander bestimmt“? Kurz vor der Intendantenwahl in Saarbrücken sorgt der Stuttgarter Senderchef an der Saar für mächtig Aufregung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein Satz fast wie aus einer Liebesschnulze. „Ich sehe zwei Sender“, flötete Kai Gniffke, „die füreinander bestimmt sind.“ So warb der Intendant des Südwestrundfunks (SWR) bei den Kollegen vom Saarländischen Rundfunk (SR) für mehr Zusammenarbeit. Schon jetzt mache man vieles gemeinsam, aber die Bande ließen sich noch weitaus enger knüpfen – bis hin zu übergreifenden Strukturen.

 

Von Hochzeit, also einer Fusion, war in Gniffkes Interview in einem Branchendienst zwar keine Rede. Doch genau so wurde die Offerte beim SR verstanden – und löste fast Panik aus. Der Intendant Thomas Kleist wies das Angebot brüsk zurück, der ganze Sender und das halbe Saarland – vorneweg die Regierenden – sprangen ihm bei. Tenor: Nichts komme in Betracht, was die Eigenständigkeit des Senders infrage stelle.

„Debatte fliegt uns sonst um die Ohren“

Die Abfuhr zeigt, wie schwer sich die Öffentlich-Rechtlichen mit Reformen tun. Deren Notwendigkeit steht außer Frage, erst recht, seit die Erhöhung der Rundfunkgebühren gestoppt wurde. In dieser Lage wollte der SWR-Vormann Gniffke wohl ein Signal setzen, dass die Anstalten selbst handlungsfähig sind – und nicht erst zum Handeln gezwungen werden müssen. Es werde „Zeit, Dinge zu denken, die bisher nicht vorstellbar gewesen wären“, verkündete er. Sonst drohe eine „Auftrags- und Strukturdebatte, die uns um die Ohren fliegt“.

Als Reformer versteht sich auch sein Saarbrücker Kollege Kleist, mit dem Gniffke sonst gut auskommt; beide sind Sozialdemokraten. Schon heute kooperieren die mit etwa 5000 Leuten zweitgrößte ARD-Anstalt und die zweitkleinste (rund 800) auf vielen Feldern: beim dritten TV-Programm, im Hörfunk, bei Archiv, Gebühreneinzug und Innenrevision; sogar ein gemeinsames Orchester gibt es. Beide können sich mehr vorstellen. Doch Gniffkes Fantasie reicht weiter als die von Kleist. Gemeinsame Direktionen etwa, die er ins Spiel brachte, überschreiten beim SR die Schmerzgrenze. Man verweigere sich nicht einer engeren Zusammenarbeit, sogar mit den Hessen und dem ZDF, aber die dürfe nicht an die Substanz gehen.

Zwei Aspekte irritieren die Saarländer an Gniffkes Vorstoß besonders: der Weg über die Öffentlichkeit und der Zeitpunkt. Der Senderchef Kleist (65) nämlich hört im April vorzeitig auf. Das falle ihm „unsagbar schwer“, bekannte der Jurist, aber nun müssten Jüngere ran. Zwei Direktorenstellen sind auch neu zu besetzen. Mehrere interne und externe Aspiranten haben sich auf den Intendantenposten beworben, darunter durchaus namhafte. Der wohl wichtigste Punkt im Anforderungsprofil: Der oder die Neue muss dem SR „eine Zukunft als souveräne Landesrundfunkanstalt“ sichern.

Tipps zur Sicherung der Eigenständigkeit

Alles, was auch nur entfernt nach Fusion klingt, lässt an der Saar die Alarmglocken schrillen. Das schlimme Wort nahm Gniffke wohlweislich nicht in den Mund: Zusammenschlüsse von Sendern, weiß er, kann ohnehin nur die Politik per Staatsvertrag regeln; zudem werden sie schnell zur unendlichen Geschichte. Doch unterhalb dieser Schwelle hätten die Anstalten eigene, noch nicht ausgeschöpfte Spielräume. Seinen Vorstoß will der SWR-Chef, wie man hört, nicht als Angriff auf den SR verstanden wissen, sondern als Anregung, wie der Saar-Sender seine Souveränität sichern könne. Um kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen, äußert er sich nicht mehr dazu.

Vorbehalte gegen SWR-Kandidaten

Wie alle Kleinen beobachtet der SR argwöhnisch, was die Großen tun. So reibungslos man mit der Nachbaranstalt zusammenarbeitet, ein gewisses Misstrauen schwindet nie. Das bekam auch der frühere SWR-Mann Christoph Hauser zu spüren, der bei der Intendantenwahl 2011 gegen Kleist unterlag. Nicht nur sein Auftritt, auch seine Herkunft galt als Handicap. Dabei hat der Sender beste Erfahrungen mit einem schwäbisch-badischen Chef: Gerne erinnert man sich an den 2011 verstorbenen Intendanten Fritz Raff, einen Ludwigsburger, der nach Stationen beim Journalistenverband und als Oberbürgermeister in Mosbach an die SR-Spitze aufstieg. Auch ARD-weit punktete er als ausgefuchster Stratege und beliebter Hierarch.

Bei der Intendantenwahl am 22. Februar dürfte sich keiner der Kandidaten offen für Gniffkes Liebeswerben erwärmen. Für einen aber könnte der Vorstoß zum Problem werden: den ARD-Chefredakteur Rainald Becker (60). Wegen früherer Stationen beim SWR wird er teilweise immer noch dem – nun gefürchteten – Nachbarsender zugerechnet. Für den Fall, dass das Fusionsgerede nicht verstummt, gibt es beim Saarländischen Rundfunk einen alten Geheimtipp: Dann fordere man den Hauptsitz des vereinten Senders für Saarbrücken – und die Diskussion ende schlagartig.

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