Fünf Architekten dürfen im neuen Gestaltungsbeirat der Stadt ihre Meinung über Freiburger Bauprojekte kundtun – ihre pointierten Äußerungen stoßen jedoch nicht überall auf Zustimmung.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Wie mittlerweile 40 andere Städte hat Freiburg im Breisgau seit knapp einem Jahr einen „Gestaltungsbeirat“. Dieses „zur Belebung der Baukultur“ im Juli 2013 vom Gemeinderat eingesetzte fünfköpfige Gremium externer Spezialisten, soll dazu beitragen, „die städtebauliche und architektonische Qualität zu sichern, eine nachhaltige Steigerung der Planungs- und Baukultur zu erreichen, deren Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und städtebaulichen bzw. architektonischen Fehlentwicklungen vorzubeugen.“ So zumindest ist deren Aufgabe laut Satzung umrissen.

 

Seitdem das Gremium auf den Plan getreten ist, kann auf jeden Fall eine deutliche Belebung der Streitkultur vermeldet werden – zum Missvergnügen von örtlichen Kollegen und Bauherren. Noch vor der ersten Sitzung hat die Beiratsvorsitzende Jórunn Ragnarsdóttir Furore gemacht. Im Februar verglich sie die neue Universitätsbibliothek mit ihrer Fassade aus Stahl und Glas mit einem Dampfer, der völlig überdimensioniert mitten in Freiburg stehe. Die 56-jährige, in Island geborene und seit Jahrzehnten in Stuttgart und anderswo tätige Architektin sprach damit aus, was in Freiburg viele denken, aber vor der veröffentlichten offiziellen Meinung längst resigniert haben.

Dass der Gestaltungsbeirat weiterhin wild entschlossen ist, seine freie Stellung weidlich für freimütige Einschätzungen zu nutzen, bewies er kürzlich bei der Begutachtung der ersten drei Projekte in Freiburg, einem Studentenwohnheim, einem Wohnhaus und einem Altenheim. Alle bekamen ihr Fett weg. Die zwei neuen Wohnheimbauten des Studentenwerkes mit 159 Plätzen in einem vornehmen Quartier bezeichneten die Experten – allesamt hochrangige Architekten, Städte- und Landschaftsplaner – als „Legebatterien“.

Das Studentenwerk reagierte äußerst dünnhäutig. Dessen Pressesprecherin wies die Kritik umgehend als „unter der Gürtellinie“ liegend zurück, der Architekt des Baus verwahrte sich gegen Änderungsvorschläge und sagte patzig, „den Studenten ist es egal, wie die Flure aussehen“. Im übrigen habe der Beirat eigentlich nur über die Fassade und das Dach reden sollen, nicht über das Innere der Bauten, bekräftigte der Studentenwerksdirektor Clemens Metz gegenüber der StZ. „Wir werden genauso bauen wie geplant. Wir sind geradezu stolz darauf, möglichst viele Studierende unterbringen zu können, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, das ist unser Auftrag.“ Die Kritik sei „völlig daneben“ und „die gute Dame“ Ragnarsdóttir könne sich davon überzeugen, wenn der Bau fertig sei.

Gelassener nahmen die beiden anderen Investoren die Anregungen des Gestaltungsbeirates auf. Der Vinzentinerinnenorden will bei seinem geplanten Pflegeheim nachbessern, das Wohnbauunternehmen fand die Kritik „konstruktiv“: man werde überlegen, was man davon berücksichtigen könne. Bindende Vorschriften kann der Gestaltungsbeirat nicht machen, dank seiner hochkarätigen Besetzung ist seine Beurteilung jedoch nicht so einfach als unqualifiziert vom Tisch zu fegen.

Im Juni wird sich der Gestaltungsbeirat mit weiteren Objekten befassen. Ob dazu auch das neue Rathaus gehört, ist nicht bekannt. In dieser Sache müsste sich Jórunn Ragnarsdóttir wohl für befangen erklären, denn sie war Vorsitzende der Jury, die den Entwurf des S 21-Architekten Christoph Ingenhoven zum Sieger erklärt hat.

Die Mitglieder im Gestaltungsbeirat

Zum Freiburger Gestaltungsbeirat gehören der Kasseler Landschaftsarchitekt Professor Wiegbert Riehl, der Frankfurter Architekt Professor Zvonko Turkali, die Züricher Architektin Miriam Weyell und der Stuttgarter Architekt Professor Tobias Wulf. Vorsitzende des Beirats ist Professorin Jórunn Ragnarsdóttir, die bereits in Lübeck und Mannheim in Gestaltungsbeiräten tätig war. Der Gestaltungsbeirat wurde zunächst für drei Jahre bestellt, die Kosten liegen bei 50 000 Euro im Jahr sowie eineinhalb Personalstellen bei der Stadt