Feinstaub schadet der Gesundheit – das scheint klar zu sein. Aber wie sehr? Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz haben abgeschätzt, wie viele Menschen durch Luftverschmutzung jedes Jahr sterben – und welche Feinstaub-Quellen besonders gefährlich sind.

Stuttgart - Der Mensch atmet täglich zehn Kubikmeter Luft ein und mit ihr viele Milliarden kleinste Partikel. Die größten haben einen Durchmesser von 30 Millionstelmeter. Unterhalb 2,5 Millionstelmeter sind die Partikel lungengängig: Der Feinstaub bleibt am Gewebe haften, dringt teilweise sogar in den Blutkreislauf ein. Das kann gesundheitsschädlich sein.

 

Unter der Leitung von Johannes Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz hat ein Forscherteam untersucht, wie viele frühzeitige Todesfälle weltweit auf die Luftverschmutzung zurückgehen. Laut der Studie im Fachmagazin „Nature“ sind im Jahr 2010 schätzungsweise mehr als drei Millionen Menschen weltweit an den Folgen von lungengängigem Feinstaub in der Außenluft gestorben.

Außerhalb Europas gibt es häufig keine strengen Auflagen, um die Luftverschmutzung einzudämmen. Das hat Folgen: Laut der Studie der Mainzer Wissenschaftler ist China Spitzenreiter mit allein 1,36 Millionen vorzeitigen Todesfällen, somit ist das dort eine der Haupttodesursachen. Auch im Südosten Asiens sterben im Jahr laut den Schätzungen 650 000 Menschen wegen der Feinstaubpartikel. In Deutschland waren es im Jahr 2010 rund 34 400 Menschen, im internationalen Vergleich liegt die Bundesrepublik damit auf Rang 12 – trotz strenger Regeln und Maßnahmen, um die Feinstaubbelastung einzudämmen.

Feinstaub aus der Landwirtschaft wird unterschätzt

Die Forscher haben die Landwirtschaft als eine immense Feinstaubquelle ermittelt: Allein 20 Prozent der mehr als drei Millionen Todesfälle seien darauf zurückzuführen. Zahlen des Bundesamts für Naturschutz für Deutschland zeigen: Obwohl seit 1990 insgesamt die Feinstaubemission hierzulande deutlich nachgelassen hat, gelangt durch Düngung und Tierhaltung Ammoniak weiterhin in konstanten Mengen in die Atmosphäre. Rund 46 Prozent der hierzulande durch Luftverschmutzung verursachten Todesfälle sind auf Feinstaub aus der Landwirtschaft zurückzuführen. In einem Begleitkommentar zur Studie fordert daher Michael Jerrett von der University of California in Los Angeles Politik und Wissenschaft dazu auf, diesem Bereich mehr Beachtung zu schenken.

Eine weitere große Feinstaubquelle in Industrieländern ist der Verkehr. 20 Prozent der vorzeitigen Todesfälle sind in diesen Staaten darauf zurückzuführen. „Hier unterschätzen Lelieveld und seine Kollegen möglicherweise die Auswirkungen des Verkehrs“, schreibt Jerrett. So würden andere Studien eine veränderte Sterberate an verkehrsreichen Straßen innerhalb weniger hundert Meter zeigen. Das Ergebnis der Studie mache trotzdem deutlich: „Schadstoffemissionen durch den Verkehr sind in westlichen Ländern trotz vieler Regulierungen noch eine Hauptursache für frühzeitige Todesfälle.“

Lebensbedrohliche Erkrankungen, wie etwa Atemwegsinfektionen bei Kindern oder Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems bei Erwachsenen, werden schon lange mit Feinstaub in Verbindung gebracht. Menschen, deren Herz-Kreislaufsystem geschwächt ist, sind für die schädliche Wirkung von Feinstaub möglicherweise besonders anfällig. In einer erst kürzlich erschienen Studie zeigten etwa Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums München, dass lungengängige Partikel in der Luft schon nach wenigen Minuten den Herzrhythmus von Typ-2-Diabetikern negativ verändern.

Die Todeszahlen könnten sich bis 2050 verdoppeln

Die weltweit größten Feinstaubquellen sind laut Lelieveld und Kollegen Privathaushalte. Im weltweiten Durchschnitt gehen 30 Prozent der frühzeitigen Todesfälle auf das Konto von Kochfeuern, Heizöfen und Müllverbrennung. In den asiatischen Ländern sind es sogar bis zu 70 Prozent, in Deutschland nur knapp acht.

Für die Studie kombinierten die Wissenschaftler zahlreiche Daten und Modelle zur globalen Luftverschmutzung sowie zu Krankheiten und Todesursachen. Aus der Momentaufnahme des Jahres 2010 errechneten sie zusätzlich die Entwicklung bis ins Jahr 2050. Das Ergebnis: Änderst sich nichts, wird sich bis dahin die Zahl der jährlichen Todesopfer durch Außenluftverschmutzung verdoppeln.