Gesunde Menschen werden durch Keime nicht gleich todkrank. Wer ein geschwächtes Immunsystem hat, sollte allerdings vorsichtig sein.

Freiburg - Der Mikrobiologie Markus Egert beschäftigt sich mit Bakterien in Küchenschwämmen, Toiletten und Unterwäsche. Er rät, es mit der Hygiene nicht zu übertreiben. Wir brauchen Bakterien, um gesund zu leben.

 
Herr Egert, wie oft putzen Sie Ihre Toilette?
Ganz ehrlich gesagt putze ich unsere Toilette selten. Das macht entweder meine Frau oder unsere Putzfrau. Aber ich habe früher oft geputzt, und zwar ein- bis zweimal pro Woche. Das reicht in den meisten Fällen auch.
Wie sieht’s beim Handy und der Tastatur aus?
Da bin ich total unkritisch. Ich wische mein Handy ab und zu am T-Shirt oder an der Hose ab, aber das war’s. Wegen der Hygiene mache ich mir da überhaupt keine Sorgen.
Dabei gibt es doch Studien, die genau das bemängeln: Dass wir unsere Toiletten ständig putzen, während auf Computertastaturen Millionen von Keimen lauern.
Stimmt, es gibt solche Studien. Der Toilettensitz ist meistens supersauber. Da finden wir etwa zehn bis hundert Keime pro Quadratzentimeter. Auf einem Handy sind es aber auch nicht unbedingt mehr, weil die Geräte trocken und sehr glatt sind. Da können sich nicht viele Mikroben halten. Bei Computertastaturen sind es schon deutlich mehr, vor allem, wenn sie gemeinsam genutzt werden oder wenn wir am Schreibtisch essen. Aber wirklich dramatisch ist das trotzdem nicht.
Sie beschäftigen sich mit Keimen und Mikroben. Können Sie Ihre Arbeit beschreiben?
Wir arbeiten zum einen am humanen Mikrobiom. Das sind alle Mikroben, mit denen der Mensch zusammenlebt. Wir machen Hautflora- und Darmflora-Analysen. Zum anderen beschäftigen wir uns mit der Mikrobiologie im bebauten Umfeld des Menschen, also in der Wohnung. Dabei fokussieren wir uns zum Beispiel auf die Waschmaschine, Handys oder Brillen. Wir hatten auch schon einmal ein Projekt über Weihwasserbehälter in Kirchen.
War das Weihwasser voller Keime?
Wir haben einige Zehntausend Bakterien pro Milliliter Wasser gefunden, insbesondere in Stadtkirchen. Bei den Kirchen auf dem Land war das Wasser weniger stark belastet.
Waschen sich die Kirchgänger auf dem Land öfter die Hände?
Nein. In der Stadt gehen einfach mehr Leute in die Kirche als auf dem Land. Je mehr Menschen ihre Finger in den Behälter tunken, desto mehr Bakterien gelangen hinein.
Als Sie 2017 Ihre Studie zu Küchenschwämmen vorstellten, brach in den USA regelrecht Panik aus. Was war daran neu?
Man weiß schon lange, dass Küchenspülschwämme stark mit Bakterien belastet sind. Neu war unsere Methode. Wir haben molekularbiologisch untersucht, wie viele und welche Bakterien dort vorkommen. Dabei haben wir viel mehr Arten gefunden, als man immer gedacht hat. Und wir haben Fotos gemacht: Wenn Menschen sehen, wie dicht die Bakterien im Schwamm sitzen, glauben sie es noch eher. Das Interesse hat mich aber selbst überrascht.
Was war für Sie das Überraschendste?
Unsere These, dass man es nur schlimmer macht, wenn man den Schwamm reinigt. Wir haben darin bis zu 54 Milliarden Bakterien pro Kubikzentimeter gefunden. Das ist etwa so viel wie in menschlichen Stuhlproben. Man schafft es nie, alle abzutöten. Von den Milliarden Bakterien bleiben immer ein paar Hunderttausend am Leben. Sie sind angepasst und dadurch härter im Nehmen. Wenn ich das ein paar Mal wiederhole, züchte ich mir unter Umständen eine Mikroflora heran, die für den Menschen gefährlich ist.
Welche Folgen kann es haben, wenn ich mit einem solchen Schwamm Geschirr spüle?
Ein gesunder, gut ernährter, junger Mensch wird durch einen Hausschwamm wahrscheinlich nicht todkrank. Aber gerade ältere, vorgeschädigte Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sollten vorsichtig sein und den Schwamm im Zweifel einfach mal entsorgen.
Wie oft braucht man einen neuen Schwamm?
In der Veröffentlichung haben wir gesagt: jede Woche. Dann kam der Aufschrei der Umweltfreunde, ob das wirklich sein muss. So viel Plastikmüll. Aber man kann das Ganze natürlich relativieren, indem man den Schwamm nicht gleich wegwirft. Man kann ihn immer noch außerhalb der Küche benutzen, zum Beispiel im Garten, im Keller oder um das Auto oder das Klo zu putzen.
Wie wirken sich zu viele Keime aus?
Zu viele Keime sind nicht unbedingt das Problem, sondern diejenigen, die Krankheiten auslösen können. In der Küche geht es meist um Magen-Darm-Infektionen. Wobei wir bei unserer Schwammanalyse auch Bakterien gefunden haben, die Blutvergiftungen oder Lungenentzündungen auslösen können. Grundsätzlich besteht in der Küche natürlich auch die Gefahr, dass sich Salmonellen oder Campylobacter ansiedeln. Das sind typische Durchfall-Erreger. Deshalb ist es so wichtig, mit dem Geflügelmesser nicht das Brot zu schneiden.
Umgekehrt steht eine zu sterile Lebensweise im Verdacht, Allergien auszulösen. Wie sehen Sie das?
Menschen brauchen Bakterien, um gesund zu leben. Andererseits gibt es aber auch Bakterien, die krank machen. Man sollte es daher von den Lebensumständen abhängig machen: Ein gesunder Single, der nur ein paar Mal pro Woche in seiner Wohnung ist, muss nicht jeden Abend das Handy mit einem chemischen Hygienereiniger putzen. Wenn ich meine bettlägerige, geschwächte Mutter zu Hause pflege, muss ich stärker auf Hygiene achten. Nur hysterisch sollte man nicht werden. Ich muss mir nicht jedes Mal die Hände waschen, wenn ich jemandem die Hand geschüttelt habe.
Auch nicht in der Grippezeit?
Wenn ich davon ausgehe, dass sich alle Menschen regelmäßig die Hände waschen und nur in die Armbeuge husten, dann nicht. Vor dem Essen aber schon. Oder wenn ich ein Tier gestreichelt habe und dann in der Küche arbeite. Und natürlich nach dem Toilettengang. Das schützt mich und die anderen.

Zur Person

Markus Egert (46) ist Professor für Mikrobiologie und Hygiene an der Hochschule Furtwangen.

Die Hygiene im Haushalt bildet einen Schwerpunkt seiner Forschung. Von 2010 bis 2011 war er als Professor für Bioanalytik an der Hochschule Coburg tätig.

Zuvor hatte er vier Jahre lang als Laborleiter beim Henkel-Konzern in Düsseldorf und Hamburg gearbeitet – unter anderem an der Entwicklung neuer Waschmittel.