Die Krankenhäuser sehen sich vor dem finanziellen Kollaps. Am Freitag machte das Personal in Tübingen erstmals mit Protesten auf die Missstände aufmerksam. Bei dieser einen Unmutsäußerung wird es nicht bleiben.

Tübingen - In den Krankenhäusern des Landes wächst der Unmut über die schlechte Finanzlage. Mitarbeiter der Kliniken bis hinauf zu den Chefetagen wollen in den kommenden Monaten mit zahlreichen Protestveranstaltungen im ganzen Land auf die Unterfinanzierung aufmerksam machen. „Die Kliniken sind in Not, wenn wir auf große Reformen warten, sind wir pleite“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Thomas Reumann, am Freitag bei der Auftaktveranstaltungen im Tübinger Universitätsklinikum.

 

Von dieser mit 600 Zuhörern überaus gut besuchten Veranstaltung erwartet Reumann ein starkes Signal an die Politik von Bund und Land. „Unsere Geduld ist am Ende, uns brennt der Kittel“, formulierte Reumann, der auch Reutlinger Landrat ist.

Pflege steuert auf eine Katastrophe zu“

Laut Reumann haben mehr als die Hälfte der Krankenhäuser in einer BWKG-Umfrage angegeben, dass sie 2012 rote Zahlen geschrieben haben. Für das laufende Jahr rechneten 60 Prozent der Kliniken mit einer weiteren Verschlechterung. „Wenn das so ist, dann stimmt etwas nicht im System“, sagte der Vorstandsvorsitzende einer Gesellschaft mit insgesamt 413 Trägern – darunter 223 Krankenhäuser, 442 Pflege- und 119 Vorsorge- und Rehaeinrichtungen, die über mehr als 100 000 Betten verfügen. Seit 2001 hätten 28 Krankenhäuser im Land schließen müssen, 7100 Betten seien abgebaut worden. In Anwesenheit von zwei Bundestags- und vier Landtagsabgeordneten verschiedener Parteien forderte Reumann mehr Geld. Die Betriebskostenfinanzierung, die der Bundesgesetzgeber regelt und die aus dem Etat der Krankenkassen bestritten wird, sei völlig unzureichend – „und das trotz Milliardenüberschüssen der Kassen“. Das führe dazu, dass steigende Kosten durch tarifbedingte Lohn- und Gehaltserhöhungen und höhere Energiepreise nur durch Personalabbau aufgefangen werden könnten.

Zum selben Effekt führt laut Reumann die Politik der Landesregierung. Trotz des Rechtsanspruchs der Krankenhäuser stehe auch nach einer Aufstockung der Mittel viel zu wenig Geld für Bauprojekte und andere Investitionen bereit. Diese müssten somit teilweise aus dem Topf der Betriebskostenzuschüsse finanziert werden.

Die Personalratsvorsitzende des Uniklinikums Tübingen, Angelika Hauser, sprach in diesem Zusammenhang davon, dass „Personalstellen in Baustellen verwandelt werden“. Der Personalmangel führe bereits dazu, dass die Pflege aus Zeitmangel nicht ausreichend oder gar nicht ausgeführt werden kann. „Die Pflege steuert auf eine Katastrophe zu“, erklärte sie. Auch der Leiter der Uniklinik Tübingen, Professor Michael Bamberg, erklärte in der gut zweistündigen Veranstaltung, die Unterfinanzierung der Kliniken gehe vor allem zu Lasten der Mitarbeiter: „Wir brauchen solide Rahmenbedingungen, damit wir die Versorgung vor Ort sicherstellen können.“