Das Land Baden-Württemberg trifft Vorbereitungen, um Ausschreitungen in und außerhalb der Fußballstadien einzudämmen.

Stuttgart - Kurz vor dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika hat sich der Stuttgarter Landtag mit der Schattenseite dieses Sports beschäftigt. Nach Angaben von Innenminister Heribert Rech (CDU) gibt es im Land derzeit 1345 sogenannte Problemfans, die in und außerhalb der Fußballstadien als gewalttätig aufgefallen sind. Davon gelten 810 als "gewaltbereit und gewaltgeneigt", 535 der Problemfans treiben es noch schlimmer - sie gelten als "gewaltsuchend".

Als schlimmes Beispiel für die Umtriebe dieser Leute nannte Rech den jüngsten Angriff von 30 Hooligans aus dem Umfeld des SSV Ulm auf einen mit Fußballanhängern aus Reutlingen besetzten Zug im Neu-Ulmer Bahnhof. Die Reutlinger befanden sich auf der Rückfahrt von einem Spiel ihres Vereins in der Regionalliga Süd beim TSV 1860 München II. Rech sprach von dem Phänomen der "Drittortauseinandersetzung", bei dem sich die Gewalttäter weit weg von den Stadien eine "dritte Halbzeit" gönnen. Mit dem Fußball habe das aber nichts mehr zu tun gehabt. "Die Ulmer Hooligans sind einzig deshalb angereist, um Gewalt auszuüben."

Um solche Gewalttaten zu verhindern, gibt es inzwischen an zwei Standorten im Land - in Mannheim und Karlsruhe - Fanprojekte. Dabei handelt es sich im Gegensatz zur herkömmlichen Fanbetreuung um Projekte, die organisatorisch von den Vereinen unabhängig sind. Die Arbeit mit den Fans erfolgt losgelöst von Verein und Polizei, was die Akzeptanz dieser Projekte erhöht. Unter anderem werden Freizeitveranstaltungen und Jugendbegegnungen angeboten. Zu den Zielen gehört auch, extremistische Neigungen abzubauen. Zwar gibt es nach Angaben des Innenministeriums im Land keinen "festen Zusammenhang" zwischen gewaltbereiten Fußballfans und der rechten Szene, dennoch bestehe eine latente Gefahr, dass Angehörige der rechtsradikalen Szene den Fußball und - wo vorhanden - auch das Eishockey nutzen wollen, um Einfluss auf junge Fans zu nehmen.

60.000 Einsatzstunden der Polizei in Liga Eins


Laut Innenministerium verfügen die drei Erstligisten Stuttgart, Freiburg und Hoffenheim noch über keine sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekte, wohl aber über gewachsene Strukturen der Fanbetreuung. Die FDP-Abgeordnete Heiderose Berroth äußerte im Landtag die Erwartung, dass auch in Stuttgart demnächst ein solches Fanprojekt in Gang kommt. Der SPD-Abgeordnete Peter Hofelich sagte, diese Projekte könnten dabei helfen, die Gewaltentwicklung besser zu begreifen und einzudämmen. Im Doppelhaushalt sind dafür 240.000 Euro eingeplant. Die Grünen-Abgeordnete Ilka Neuenhaus stellte infrage, ob diese Summe ausreiche. Innenminister Rech gab zu erkennen, dass eine Nachbesserung noch möglich sei.

Dass sich Gewaltprävention lohnen kann, zeigt eine Aufstellung des Innenministeriums über die Kosten, die durch die Polizeieinsätze bei Fußballspielen anfallen. In der Saison 2008/2009 waren es 6,1 Millionen Euro, die auf der Basis von 138.443 Einsatzstunden der Polizei berechnet wurden. Nach Städten aufgeteilt entfiel der höchste Betrag auf Stuttgart mit 1,6 Millionen Euro. In Karlsruhe waren es 1,3 Millionen Euro und in Sinsheim (1899 Hoffenheim) 1,1 Millionen.

Für die Saison 2009/2010 sprach Innenminister Rech von 127.000 Einsatzstunden, die von 20.549 Beamten geleistet wurden. 60.000 Stunden entfielen auf die Erste Liga, 20.000 Stunden auf die 2. Liga, 15.000 Stunden auf die 3. Liga und 32.000 Stunden auf die Regionalliga Süd.